23.09.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{46} Thomas kommt zum Glauben (Joh. 20,24-31)
Dann spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Verse des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,27 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass die beiden ersten Jünger zum Wohnort dessen kamen und den sahen, der als das „Lamm Gottes“ bezeichnet wurde, entspricht insofern dem Umstand, dass Thomas die Wundmale Jesu „wahr-nahm“, da dieser mit seinem Finger und seiner Hand in den auferstandenen fleischernen Leibestempel des geschlachteten Lammes Gottes eindrang, d. h. dessen „Bleibe“, also den Aufenthaltsort Gottes, erkannte, indem er in dessen Bereich gewissermaßen hineinkam.
Jesus fordert die Ungläubigen dazu auf, das von ihm öffentlich gesprochene Wort dadurch zu verifizieren, dass sie diejenigen befragten, die zum Glauben an ihn gekommen waren. Indem sie nämlich in sein Wort „hineinkämen“, würden sie ihn erkennen.
Denn die Jünger Jesu bilden seinen wesenhaften Leibestempel, in den, zur Prüfung der Wahrheit und der daraus resultierenden Bekehrung zum Glauben, eingegangen werden soll.
Da Maria, die Mutter Jesu, gewissermaßen der Herkunftsort Jesu ist und er, laut Gal. 4,26, aus dem himmlischen Jerusalem (von oben) stammt, stellt die früher an Johannes gerichtete Aufforderung Jesu, seinen Wohnort zu sehen (sehr wahrscheinlich war Johannes einer der beiden Jünger Jesu, die zu dessen Aufenthaltsort gerufen wurden) die spätere Erkenntnis des Apostels dar, dieselbe ursprüngliche Wohnstatt Jesu zur Mutter zu haben, wie der Herr selbst.
Maria Magdalena, die Darstellerin des neuen Jerusalem, der zukünftigen Brautstadt des Lämmleins, darf erst in die Bleibe des Lammes eingehen, d. h. es, Thomas gleich, berühren, wenn Jesus zum Vater hinaufgestiegen ist :Joh. 20,17: und sie, als seine geschmückte Braut, vom Himmel zu ihm hinabsteigt :Offb. 21,2:.
Damit der Glaube an den Auferstandenen geweckt wird, kann in diese zukünftige Wohnstatt des Lämmleins eingegangen werden :Offb. 22,14:. Dieser Eintritt in das wahre Heiligtum Gottes wird prophetisch darin dargestellt, dass Thomas den Leib des Lammes prüfte.
Christus wird an seiner zum Leben gekommenen Bleibe sinnlich erkannt werden :1.Kor. 3,16+17:.
Wie der Chiasmus in Joh. 20,24-31 zeigt, wiederholt sich Thomas‘ Forderung, nur dann zu glauben, wenn er mit den Händen und Finger den auferstandenen Leib Jesu empirisch prüft :Joh. 20,25b:, in der an ihn gerichteten Aufforderung Jesu, diese Prüfung durchzuführen fast wortwörtlich :Joh. 20,27:.
Es geht hier um eine sensorische Wahrnehmung mit den Fingern bzw. der eigenen Hand. Diese Art der Kenntnisnahme ist sehr „materialistisch“ und diesseitsbezogen (naturalistisch).
Thomas reichte es nicht aus, vom lebenden Sohn Gottes zu hören oder wenigstens den Herrn zu sehen, um zu glauben, nein, er musste ihn spürbar „be-greifen“, d. h. leiblich-sinnlich wahrnehmen.
In seiner barmherzigen Güte gestattete es Jesus Thomas, ihn in seiner materiellen „Lebens-Realität“ zu prüfen. Der Herr tat es, damit sein Jünger zum Glauben an ihn findet.
Joh. 20,27 [D2] <Joh. 20,29*> Joh. 20,31 [D2]
Joh. 20,27 (Joh. // Offb.) Offb. 21,8
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.