08.05.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{17} Die Reden äonischen Lebens (Joh. 6,60-71)
Aus diesem Anlaß traten viele seiner Jünger zurück und wandelten nicht mehr mit ihm. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 6,66 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Die dem Sohn unfolgsamen Pseudojünger, die wegen seines „harten Wortes“ nicht mehr mit ihm gingen, entsprechen den ungläubigen Juden, die Jesus wegen seiner Reden steinigen wollten.
Ihre Abwendung von Jesus spiegelt sich in seiner Distanzierung von ihnen wider, denn nachdem seine falschen Jünger fortgegangen waren, wollte Jesus nicht mehr in Judäa bleiben, wo ihn die Juden umzubringen suchten.
Ihre fehlende Unterordnung bedeutete, dass sie das Leben (Jesus in Person) nicht „sehen“ würden, sondern auf sie zu der Zorn Gottes blieb.
Der Umstand, dass sich die falschen Jünger Jesu von ihm entfernten, wird auch darin dargestellt, dass seine 12 Jünger weggingen und in ein Schiff kamen, als sie ohne Jesus nach Kapernaum gelangen wollten.
Im Unterschied zu seinem Verhalten den ungläubigen Jüngern bzw. den unfügsamen Juden gegenüber wandelte Jesus auf dem „Meer“, um seine Nachfolger vor dem drohenden Gericht zu bewahren. Er kam zu ihnen. Jesus überbrückte die Distanz, die sie zu ihm geschaffen hatten.
Da der wesenhafte Tempel (Jesus) mit seinen echten Jüngern zum Garten Gethsemane auf den Ölberg kommt, wird der Tempelberg Babylon-Jerusalems verlassen.
Seine Gläubigen gehen diesen Weg mit ihm in Übereinstimmung mit dem Liebesziel des Gott-Vaters.
Sie erweisen sich darin als das Gegenbild der vielen Jünger, die Babylon zuerst den Rücken gekehrt hatten, nun aber von Jesus weggingen und nicht mehr mit ihm unterwegs waren, um dorthin zurückzukehren, wo sie ursprünglich einmal gewesen waren.
Es geht hier also um die Entscheidung, welchem Tempel man sich zuwendet, d. h. zu welchem Tempel man wandelt und sich hierbei zwangsläufig vom anderen Tempel abwendet.
Laut dem Chiasmus in Joh. 6,60-71 war das „harte Wort“ Jesu, das er über das exklusive Kommen zu ihm in der Synagoge Kapernaums predigte :Joh. 6,60: (siehe hierzu Joh. 6,44) der Anlass dafür, dass sich viele seiner Jünger von ihm abwandten :Joh. 6,66: (siehe hierzu Joh. 6,65).
Die Menschen ertrugen es nicht, völlig von der Gnade und dem Willen des Gott-Vaters abhängig zu sein.
Der Gedanke, keinen Einfluss auf die Erwählung und Nachfolge Jesu zu haben, hierfür also nichts aus eigenen Werken beitragen zu können, eine solche absolute Fremdbestimmung widerstrebte ihrem gesetzlichen Ego.
Die vollständige Beseitigung des eigenen „Ichs“ und seiner Leistung, die Aufgabe des „freien Willens“, war für sie unmöglich, sodass sie nicht glauben konnten, dass Gott in Jesus diesen exklusiven Weg ging, in dem er alles zählte und sie nichts.
Dieses Wort war ihnen zu „hart“, denn sie verstanden die Gnade nicht und konnten die göttliche Einzigartigkeit des Herrn nicht akzeptieren.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.