05.12.2022 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
a) Joh. 8,1-5 Im Gesetz gebot uns Mose, dass solche gesteinigt werden sollten :Joh. 8,5:
b) Joh. 8,6 ...und schrieb mit dem Finger in die Erde
c) Joh. 8,7 Der von euch, der ohne Sünde ist, werfe als Erster den Stein auf sie.
b') Joh. 8,8 ...und schrieb in die Erde
a') Joh. 8,9-11 Auch ich verurteile dich nicht :Joh. 8,11:
a) Das Gericht / die Begnadigung; b) Jesus schreibt auf den Erdboden; c) Jesus steht auf: ...Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein
Das Aufstehen Jesu in Joh. 8,7 bildet das spiegelgleiche Herz der vorliegenden Textstruktur. Dieser Vers ist der zentrale Höhepunkt des Berichtes über die zu Jesus gebrachte Hure :Joh. 8,1-11:.
Joh. 7,53-Joh. 8,11 steht im Textus Receptus geschrieben. Er wurde also erst später hinzugefügt. Weil der Abschnitt kein Teil des ursprünglichen Bibelwortes war, fehlt er in manchen Übersetzungen (z. B. in der DÜ). Es stellt sich die Frage, ob er dennoch zum Wort Gottes gerechnet werden darf.
Joh. 8,7 ist die Mitte der folgenden Verspaare. Die Zahl nach dem Buchstaben „D“ zeigt die Versdifferenz vor und nach diesem Spiegelzentrum an.
Joh. 8,6 [D1]*Joh. 8,8 [D1]; Joh. 8,4 [D3]*Joh. 8,10 [D3]; Joh. 8,3 [D4]*Joh. 8,9 [D2]; Joh. 7,53; Joh. 8,1) [D6,7]*Joh. 8,13 [D6]; Joh. 7,51 [D9]*Joh. 8,16 [D9]; Joh. 7,44-46 [D14-16]*Joh. 8,20 [D13]; Joh. 7,41+42 [D18,19]*Joh. 8,23 [D16]; Joh. 7,39 [D21]*Joh. 8,27 [D20]; Joh. 7,35 [D25]*Joh. 8,31 [D24]; Joh. 7,30 [D30]*Joh. 8,37 [D30]; Joh. 7,25 [D35]*Joh. 8,44 [D37]; Joh. 7,18-20 [D40-42]*Joh. 8,48-50 [D41-43]; Joh. 7,3+4 [D56+57]*Joh. 9,3-5 [D55-57]; Joh. 6,69 [D62]*Joh. 9,9 [D61]; Joh. 6,67 [D64]*Joh. 9,11 [D63]; Joh. 6,52 [D79]*Joh. 9,26 [D78]; Joh. 6,46 [D85]*Joh. 9,33 [D85]; Joh. 6,45 [D86]*Joh. 9,31-34 [D83-86]; Joh. 5,35 [D143]*Joh. 11,9 [D144]; Joh. 5,28 [D150] (Joh. 11,43)*Joh. 11,17 [D152]; Joh. 5,21 [D157]*Joh. 11,21-23 [D156-158]; Joh. 4,53 [D179]*Joh. 11,43-45 [D178-180]; Joh. 4,48 [D184]*Joh. 11,47+48 [D182,183]; Joh. 4,30 [D202]*Joh. 12,9 [D201]; Joh. 4,14 [D218]*Joh. 12,25 [D217]; Joh. 3,11 [D257]*Joh. 13,16 [D258]; Joh. 3,5 [D265]*Joh. 13,20 [D262]; Joh. 3,3 [D263]*Joh. 13,21 [D263]; Joh. 1,51 [D294]*Joh. 14,12 [D292]; Joh. 1,38 [D307]*Joh. 14,26 [D306]; Joh. 1,17 [D328]*Joh. 15,17 [D328]; Joh. 1,14 [D331]*Joh. 15,20 [D331]; Joh. 1,6-9 [D336-339]*Joh. 15,26+27 [D337,338]; Joh. 1,2 [D343]*Joh. 16,4 [D342]
Hier zeigt sich, dass Joh. 7,53 + Joh. 8,1-11 zum Wortes Gottes gehört, obwohl dieser Text weder im Codex Sinaiticus noch im Codex Vaticanus enthalten ist, denn Joh. 8,7 ist nicht nur das Herz von Joh. 8,1-11, sondern steht im Mittelpunkt einer viel größeren Spiegelstruktur (Joh. 1,2-Joh. 7,51*Joh. 8,13-Joh. 16,4), in der es um den Konflikt zweier unterschiedlicher Lehren geht, nämlich um das den Sünder in den Tod bringende mosaische Wort und das Leben gebende Gnadenwort des Gott-Vaters aus dem Mund Jesu.
Bei genauerer Betrachtung geht es in Joh. 8,1-11 um diese Auseinandersetzung, nämlich um einen Angriff der Jerusalemer Pseudogeistlichkeit auf den Sohn Gottes.
Es geht um den listigen Versuch der finsteren Babylon-Welt, das wesenhafte Licht des Lebens zu beseitigen.
Denn, hätte sich Jesus gegen das mosaische Gebot der Steinigung ausgesprochen, wäre er am Gesetz Gottes schuldig geworden.
Hätte er hingegen die Hinrichtung der Hure befürwortet, dann hätte er die richterliche Gewalt der römischen Besetzungsmacht und des Kaisers in Frage gestellt, der sich die Juden unterordnen mussten :Joh. 18,30+31; Joh. 19,12:.
Die List der Babylon-Welt bestand darin, denjenigen, der gekommen war, um die Welt zu retten, dazu zu verleiten, der Sünderin öffentlich zu vergeben.
Dadurch hätte Jesus nämlich das mosaische Gesetz gebrochen. Er wäre also selbst sündig geworden und man hätte ihn für seinen illegitimen Gnadenspruch anklagen können.
Babylon-Jerusalems eigentliches Ziel war also, Jesus rechtgemäß in den Tod zu geben.
In Joh. 8,1-11 geht es also genau genommen um die Person Jesu und die Stellung zu ihm und zu seiner Lehre und nur in zweiter Linie um das vordergründige Vergehen der Sünderin.
Diejenigen, die seine himmlische Identität ablehnten, seinen Ursprung nicht kannten, zu ihm nicht als zum Heiligen Gottes kommen wollten, seine Gnadenlehre nicht ertrugen, ihm also nicht glaubten, besaßen den Geist des bösen Anklägers. Als Ankläger waren sie Instrumente Satans, des großen Anklägers.
Hier geht es um den Konflikt zwischen Satan und Jesus, um den Sieg des Lebens über den Tod und um das gerechte Richten desjenigen, der allein ohne Sünde ist und deshalb über den gesetzlichen Bedränger und Ankläger triumphiert.
Joh. 8,1-11 muss ein Teil des Wortes Gottes sein, denn der Text spricht vom fundamentalen Sinn der Bibel.
Kurz bevor sich der Herr in Joh. 8,7 aufrichtete, hatten ihn die Pharisäer mehrfach gefragt, wie mit der Sünderin zu verfahren sei.
Nachdem Jesus aufgestanden war, gab er ihnen die folgende Antwort „Wer von euch ohne Verfehlung ist, werfe zuerst den Stein auf sie“.
Dieses Sprechen des Gnadenwortes des Gott-Vaters wird in Joh. 8,6 und Joh. 8,8 dadurch textlich eingerahmt, dass sich der Herr jeweils bückte, um mit dem Finger etwas auf den Boden zu schreiben. An seiner Körperhaltung kann man also erkennen, wo sich das textliche Zentrum des Berichts befindet.
Schweigen, bücken, schreiben waren scheinbar defensiver Natur, wohingegen Jesus, als er, einer hell scheinenden Leuchte gleich, aufstand und zu sprechen begann, den offenen Kampf mit dem satanisch-pharisäischen Babylon aufnahm.
Seine siegreiche Antwort ließ die Gesetzischen verstummen, denn das sich aufrichtende wesenhafte Licht Gottes leuchtete die Herzen der fanatischen Angreifer aus.
Die Babylon-Welt hasste und verwarf es :Joh. 1,5:, denn Jesus drohte ihre Bosheit zu offenbaren :Joh. 3,19-21:.
Der die Herrlichkeit des Gott-Vaters Suchende machte die Ankläger zu Angeklagten. Er offenbarte, dass die selbstherrliche große Stadt Jerusalem kein Recht besaß, eine Ehebrecherin mit dem Tod zu bestrafen, weil sie selbst eine „Hure“ war, nämlich in ihrer Untreue Gott gegenüber :Lk. 6,42; 1.Mose 38,26:.
Der Herr fing die Listigen in ihrer eigenen List.
Ironischerweise wurde das Jerusalemer Pseudolicht ausgerechnet in dem Moment seiner tatsächlichen Dunkelheit überführt, als es versuchte, dem wirklichen Licht der Welt, Jesus Christus, eine Finsternis nachzuweisen.
Einzig der sündlose Sohn Gottes :Hebr. 4,15; 2.Kor. 5,21: hätte das Recht dazu gehabt, einen Stein zu nehmen und die Sünderin zu richten.
Den sie anklagenden Pharisäern gebührte hingegen das Gericht, das sie an ihr vollziehen wollten :Mt. 7,2:.
Tatsächlich wird Babylon, die eigentliche Hure, wie ein Stein verworfen werden :Offb. 18,21; Joh. 8,7:. Es geht im Feuergericht unter :1.Mose 38,24; Offb. 18,8:.
Jesus nimmt zum Gericht Stand und tritt der ihn mehrfach herausfordernden Stadt entgegen. Alle, die zu ihm gehören, wird vor dieser anklägerischen Hure retten :Offb. 19,11ff:. Der Sohn lässt auch den Ankläger der Brüder aus dem Himmel entfernen :Offb. 12,10:.
Das Aufstehen Jesu in Joh. 8,7 markiert den Wendepunkt vom Gesetz zur Gnade, von der Anklage zur Vergebung, vom Tod zum Leben.
Jesus konnte der schändlichen Hure nur in Hinblick auf Golgatha Gnade erweisen, wo er sich, u. a. für diese Frau stellvertretend zur „Sünde“ in Person machen ließ, um dafür nach dem Gesetz gerichtet zu werden. Hierdurch wurde seine Gnade legitimiert. Sie besteht also auch vor dem Gesetz.
Dass sich der gerechte Richter aller aufrichtete :Offb. 19,11ff.:, stellt Golgatha und seine Auferstehung aus den Toten dar.
Seitdem müssen Satan und alle anklägerischen Leibesglieder Babylons schweigen. Zumindest finden ihre Anschuldigungen kein Gehör bei Gott :Offb. 12,10; Röm. 8,33:.
Das Auf(er)stehen Jesu teilt den Text in zwei Hälften, nämlich in die Zeit des in den Tod führenden Gesetzes :Joh. 8,1-7a: und in die Zeit der Lebensgnade des neuen Bundes Gottes :Joh. 8,7b-11:.
Die Vers-für-Vers-Auslegung für {23} Die beim Ehebruch ergriffene Frau (Joh. 8,1-11) beginnt mit Joh. 8,1. Bitte hier klicken. Sie wurde hier zusammengefasst.