13.02.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{6} Die Hochzeit zu Kana (Joh. 2,1-12)
und spricht zu ihm: Jedermann setzt zuerst den guten Wein vor, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringern; du hast den guten Wein bis jetzt behalten! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 2,10 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Nach dem geringeren Wein (Johannes, der mit Wasser taufte), kam der relativ würdigere ideale Wein (Jesus, der mit Geist tauft).
Ebenso erhöhte der vergleichsweise geringere Moses die kupferne Schlange in der Ödnis, wohingegen Jesus, der ideale Wein, noch „gehütet“ wurde und erst später in den Jerusalem-Kosmos hineinkam, um dort am Kreuz von Golgatha erhöht zu werden und solchen, die an ihn glauben das „ewige“ Leben zu geben.
Dieses Größere dessen, was der ideal Wein tut, kommt auch im Vergleich zum Feigenbaumgeschehen Nathanaels zum Ausdruck, denn Letzteres entspricht dem minderen Wein bzw. den Wassern Kanas.
In allen hier genannten Fällen kommt das Größere erst nach dem Geringeren.
Joh. 1,41 [D10] <Joh. 1,51*> Joh. 2,10 [D10]
Joh. 1,41 Dieser findet als Vorderer* den d eigenen Bruder SI´MOoN und sagt zu ihm: Wir haben den MÄSSI´AS gefunden – wdas heißt aber nachübersetzt »ChRISTO´S« –. (10)
Joh. 2,10 und sagt: Alljeder Mensch setzt vorher den idealen* Wein vor, und wann gleichsam sie berauscht wurden´, den geringeren; du aber, du hast den idealen* Wein bis jetzt gehütet. (10)
Erster (DÜ: „Vorderer“) bzw. Letzter (zumindest derjenige, der später drankommt) und die Vertauschung dieser Reihenfolge beziehen sich im vorliegenden Verspaar auf solche, die Christus nachfolgen und auf dessen Wein.
Laut F.H. Baader bedeutet „Vorderer“ auch „Vorheriger“, sodass der von Andreas „gefundene“ Petrus (obwohl erst „gefunden“, nachdem Johannes und Andreas Jesus als den Christus gefunden hatten :Joh. 1,41:) im Vergleich zu den anderen Jüngern des Herrn vorrangig war.
Das Blut der Leibesglieder Jesu ist sein „Wein“. Es ist das Blut des Lämmleins. Dies gilt für alle, die ihm nachfolgen, also seine wesenhafte Herrlichkeiten bilden :Röm. 8,36; Offb. 7,14:.
Der Umstand, dass die Jünger den Gesalbten Gottes fanden und sich auf ihn ausrichteten, entspricht dem Hinauf- bzw. Hinabstieg der Engel in Richtung auf den Menschensohn :Joh. 1,51:, wobei anzunehmen ist, dass auch hier, im Himmel, eine bestimmte Rangordnung und Reihenfolge beachtet wird, die sich in der irdischen Nachfolge Jesu widerspiegelt.
In der Jüngerschaft kommt dem die judenchristliche „Petrus-Linie“ der Gläubigen Jesu darstellenden Petrus eine besondere, vorrangige Rolle zu, obwohl der Apostel als ein Erstrangiger (DÜ: „Vorderer“) nicht der (zeitlich) erste Jünger des Herrn gewesen war.
Als der „Vordere“ (DÜ) :Joh. 1,41: entspricht Petrus dem „vorderen“ (ersten) Wein, der in Joh. 2,10 jedoch nicht der ideale Wein ist.
Dies könnte auf die Reihenfolge von Gesetz und Gnade (Letztere ist das Gesetz der Freiheit) hindeuten.
Jedenfalls geht das Ideale weit über das Gute hinaus. (Interessanterweise kam das mosaische Gesetz zusätzlich hinzu (DÜ: „nebenhinein“) :Röm. 5,20:, d. h. auch hier liegt eine Vertauschung von Idealem und Gutem vor :Röm. 7,12:.)
Die Änderung der Reihenfolge kommt in Joh. 2,10 darin zum Ausdruck, dass der im Gegensatz zu allen Menschen handelnde Sohn Gottes nicht den idealen Wein zuerst gibt und erst danach den geringeren, sondern umgekehrt :Joh. 2,10:.
Zur Bedeutung des Weins im Kontext der Hochzeit zu Kana siehe auch die Erklärung zu Joh. 2,4+7+10*Offb. 17,1+2+4+6).
Der Begriff „Mensch“ in Joh. 2,10 könnte ein verbaler Hinweis auf die Formulierung „Menschensohn“ in Joh. 1,51 sein.
Als „Sohn des Menschen“ hat Christus die Autorität über die Engel.
Er ist also explizit in seinem Menschsein das Ziel der Engelwelt, also der wahre „zielseiende Friede“, d. h. das wahre himmlische „Jerusalem“, denn der Name „Jerusalem“ kann so übersetzt werden.
Dennoch unterscheidet sich der Herr von jedem Menschen, denn er ist der Christus geheißene Messias, d. h. das im irdischen Jerusalem-Kosmos gefundene Lamm Gottes.
Bestimmte Engel mussten erst hinabsteigen, d. h. inkarnieren, um ihm hier unten begegnen zu können.
Sie werden in der Endzeit hinaufsteigen, um dem Lämmlein zu begegnen und ihm auch oben nachzufolgen :Offb. 19,14:.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.