05.02.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{5} Jesus erwählt Philippus und Nathanael (Joh. 1,43-51)
Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Ehe dich Philippus rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 1,48 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass Jesus Nathanael unter dem Feigenbaum sah, bevor ihn Philippus zum Herrn rief, entspricht dem Umstand, dass die Diener die geschöpften Wasser Kanas sahen, bevor sie zu Wein gemacht wurden und der Oberste des Hochzeitgelages zu Kana den Bräutigam rufen ließ.
Demnach symbolisiert der unter dem Feigenbaum sitzende Nathanael die noch nicht zu Wein verwandelten Wasser Israels, wohingegen er, durch die Ankunft bei Jesus, bereits zu diesem edlen Wein Gottes verwandelt worden war.
Nathanaels Frage an Jesus „Woher kennst du mich?“ gleicht dem Umstand, dass der Oberste des Gelages nicht wusste, woher der ideale Wein stammte.
Die Antwort auf diese Fragen ist der himmlische Gott-Vater, die wesenhafte Quelle allen guten Gebens.
Da Jesus die Stimme des himmlischen Vaters gehört und dessen Angesicht gesehen hat und das Wort Gottes bleibend in ihm wohnt, nimmt er alles wahr, u. a. auch den unter dem Feigenbaum sitzenden Nathanael.
Hingegen können die Juden den Gott-Vater nicht sehen und sie rätseln deshalb über die Herkunft des idealen Weins.
Nathanaels Frage, was aus Nazareth gut zu sein vermag :Joh. 1,46: spiegelt sich in Joh. 1,48 in seiner Frage wider, woher ihn Jesus kennt. (Siehe den Chiasmus in Joh. 1,43-51.)
Die erste Frage beantwortete Philippus mit dem Ruf: „Komm und gewahre!“ :Joh. 1,46:.
Eben auf diesen Ausruf des Philippus bezog sich Jesus in seiner Antwort auf die zweite Frage Nathanaels, sodass der spiegelgleiche Aufbau des vorliegenden Verspaars gut zu erkennen ist.
Dass Jesus ihn kannte, begriff Nathanael deshalb, weil ihn der Herr in seiner Güte richtig beschrieb (ein Israelit, in dem nicht Betrug ist).
Diese Güte des Jüngers steht dem aus Nazareth kommenden Guten des Sohnes Gottes textlich und inhaltlich gegenüber.
Sie entsprechen einander. Das aus Nazareth herrührende Gute, das Lamm Gottes, ist das von oben aus dem himmlischen Jerusalem hinabsteigende Gute des Lämmleins :Jak. 1,17:.
Nicht das irdische Babylon-Jerusalem, sondern das irdische Nazareth, gleicht der himmlischen Mutterstadt des Sohnes Gottes, ihr, dem einzigen Ursprung des einzig Guten.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.