06.03.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{8} Nikodemus kommt zu Jesus (Joh. 3,1-21)
Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wir reden, was wir wissen, und wir bezeugen, was wir gesehen haben; und doch nehmt ihr unser Zeugnis nicht an. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 3,11 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Jesus redete in Joh. 3,11 deshalb in der „Wir-Form“, weil die anlässlich der Hochzeit zu Kana das Wasser schöpfenden Diener wussten, woher der ideale Wein stammte.
Also spricht nicht allein er über das, was er wahrnahm. Jesus steht mit seinem Zeugnis dessen, was er sah nicht allein, sondern dies tun auch all jene, die den göttlichen Ursprung bereits kennenlernen durften.
Wer, wie z. B. die Samariterin Sichars oder der einst Lahme Bethesdas, das Werk Jesu gesehen hat und begreift, dass es das Tun des himmlischen Vaters zum Vorbild hat, ruft andere dazu auf, aus dem Bereich der Fälschung hinauszukommen und dieselbe Wahrheit zu erkennen, wie er selbst.
Da Sichar (Sichem) das irdische Jerusalem darstellt und diese große Hure das Sprechen und Bezeugen Jesu ablehnt, ist das Hinauskommen aus Sichar ein Bild dafür, „Babylon“ den Rücken zu kehren, den Herrn zu erkennen und dessen Worte anzunehmen.
Der „Wahr-nehmende“, d. h. von der Wahrheit Nehmende und sie Erkennende, bekennt die himmlische Quelle des Lebens und der Gesundheit.
Wie der Apostel Johannes bezeugt er das, was er sah um des Glaubens der Hörer willen wahrheitsgemäß.
Gleich dem Täufer Johannes wurde er vom selben Gott entsandt, um über die himmlische Wahrheit (Gott-Vater) und ihre Wohnstatt auf Erden Zeugnis abzulegen.
Gleich dem Herrn Jesus selbst spricht er das von ihm Gesehene und bestätigt das, was er oben beim Vater erblickte.
Hingegen hält derjenige Jesus nicht wert, der nur den irdischen Vater und die irdische Vaterstadt sieht.
Er gleicht den Pharisäern, die das gesprochene Wort Jesu nicht verstehen und das göttliche Werk nicht annehmen.
Da ihm der Geist der Prophetie fehlt, weiß dieser Irdische nicht, was der Herr tun wird, denn die wesenhafte Quelle des Handelns Jesu befindet sich im Himmel, also jenseits des beschränkten Denkhorizontes des Ungläubigen.
Joh. 1,15 [D36] <Joh. 1,51*> Joh. 3,11 [D36]
Joh. 1,15 JOohA´NNES bezeugt ihn betreffend und hat laut geschrieen, indem er sagte: Dieser war der ´Gesagthabende, dass er der nach mir Kommende ist, er, wder vorne* vor* mir geworden ist, da er der Vordere* war vor mir . (36)
Joh. 3,11 AME´N, AME´N, ich sage dir da: wWas wir gewahren*, sprechen wir, und wwas wir gesehen haben, bezeugen wir, und unser d Bezeugen nehmt ihr nicht an. (36)
Offenbar entspricht das den Sohn Gottes betreffende Zeugnis des Täufers :Joh. 1,15: dem ebenfalls auf der Wahrnehmung des zu Bezeugenden beruhenden wahren Wort Jesu über das, was er den Vater tun sieht bzw. sprechen hört :Joh. 3,11; Joh. 5,19:, sodass der Sohn Gottes diesbezüglich Johannes gegenüber die Stellung innehat, die der Gott-Vater ihm gegenüber einnimmt.
Die Autorität dessen, der die Wahrheit bezeugt, liegt also in seinem Sehen dieser Wahrheit.
(Dies gilt auch für den Apostel Johannes :Joh. 21,24; Offb. 1,2: und für den Personalengel Jesu :Offb. 22,16+18+20:.)
Das Erkennen bzw. das Sehen des Christus bzw. des Gott-Vaters ist in Joh. 1,15*Joh. 3,11 von zentraler Bedeutung.
Sie hat in Joh. 1,15 ihren textlich-chiastischen Kern, denn der Herr verhieß seinen die 144 000, also die himmlische Brautstadt, darstellenden Jüngern, dass sie den geöffneten Himmel sehen und die sich zum Sohn hinbewegenden Engel erblicken werden.
Der „Vordere“ (Erstrangiger, weil „Aller-Erster“), der vor ihnen allen existierte, kündigte seinen 12 Jüngern also an, dass er derjenige sein wird, der nach ihnen kommt, sodass sie dem Täufer gleichen, der die ebenfalls zum neuen Jerusalem gehörenden Märtyrer darstellt.
Die höhere Ebene des Glaubens ist jedoch, die göttlichen Autorität Jesu durch sein Wort wahrzunehmen und keines äußerlich sichtbaren Zeichens zu bedürfen :Joh. 20,29:.
(Ein weiterer verbaler Hinweis auf Joh. 1,51 ist der markante Gebrauch des Begriffs „sagen“ in Joh. 1,15*Joh. 3,11.)
Die Christuszentriertheit des Täufers spiegelt sich im D-Punkt des vorliegenden Verspaars in der Ausrichtung der auf den Menschensohn zu hinauf- und hinabsteigenden Engel Gottes wider :Joh. 1,51:.
Dass Christus als „Vorderer“ (DÜ) vor Johannes „ankam“ bzw. vor ihm existierte, derjenige war, der gesagt hatte, dass er nach Johannes kommen wird :Joh. 1,15:, stellt eine zeitlich-chiastische Vertauschung dar, die vmtl. mit dem spiegelgleichen Hinauf und Hinab der Engel in Joh. 1,51 zu tun hat.
(In Joh. 1,51 ist allerdings der Gesalbte das Spiegelzentrum. In Joh. 1,15 bildet hingegen der Täufer die zeitliche Mitte zwischen dem früheren Christus und dem nach Johannes kommenden Christus.)
Obwohl der Herr, als der Schöpfer der Welt, derjenige ist, der vor allen war :Kol. 1,15:, macht diese Deutung im Kontext von Joh. 1,15 wenig Sinn, denn der Täufer bezog das Vor- und Nach-ihm-Sein Jesu ausdrücklich auf sich selbst, sodass der Herr einst die zukünftige Ankunft in einer zeitlichen Relation zum Kommen des Johannes angekündigt haben muss.
Tatsächlich geschah dies in Jes. 40,3, denn Elia-Johannes wurde damit beauftragt, die Ankunft des Herrn vorzubereiten.
Jahwe-Jesus, der Elohim Israels, hatte also als der Vordere „gesagt“, dass er nach Johannes kommen wird.
Es stellt sich die Frage, ob ihm der Herr dies auch persönlich sagte, als der Täufer als Elia im Fleisch der Menschen war, d. h. ob er ihm, ähnlich wie bei Abraham der Fall :Joh. 8,40+57; 1.Mose 14,18; Hebr. 7,3:, direkt begegnete.
Jedenfalls war Melchisedek-Jesus bereits lange vor Elia im Fleisch der Menschen :Joh. 1,15:.
Johannes der Täufer bezeugte Jesus, weil er ihn zuvor erkannt und gesehen hatte. Jesus hatte zu ihm in seinem Wort gesprochen.
Aus dieser geistlichen Erfahrung der Wahrnehmung eines Unsichtbaren :Hebr. 11,1: entsprang für den Täufer ebenso die prophetische Autorität :Joh. 1,15:, wie sie für den Herrn daraus resultierte, dass er den Vater kannte und sah :Joh. 3,11:.
Die Babylonischen nehmen dieses Wissen freilich nicht an.
Joh. 3,11 [D23] <Joh. 3,34*> Joh. 4,22 [D24]
Joh. 3,11 [D257] <Joh. 8,7*> Joh. 13,16 [D258]
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.