20.11.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{29} Jesus erweckt Lazarus zum Leben (Teil 2/2: Joh. 11,36-54)
Und der Verstorbene kam heraus, an Händen und Füßen mit Grabtüchern umwickelt und sein Angesicht mit einem Schweißtuch umhüllt. Jesus spricht zu ihnen: Bindet ihn los und laßt ihn gehen! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 11,44 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Der Herr wies die Juden an, die Bindung dessen zu lösen, der im Tod gewesen war, nun aber aus seiner Gruft hinausgekommen war.
Sie sollten Lazarus weggehen lassen.
Dies entspricht im Kontext von Joh. 18,1-12 der Aufforderung Jesu an die Juden, die ihn festnehmen wollten, seine Jünger weggehen zu lassen. Schließlich wurde allein der Herr gefesselt und weggeführt.
Hieraus ergibt sich, dass die Bewahrung der in Lazarus dargestellten Freunde des Herrn vor Verdammnis und Todesbindung dadurch erfolgt, dass er sich für sie in den Tod geben ließ. (Hier liegt eine inhaltliche Spiegelgleichheit vor. Jesus bezahlte für sein Wunder der Rettung.)
Mit anderen Worten: „Lazarus“ kommt aus der Gruft heraus, und er wird ausgerechnet von den gesetzlichen Juden (!) von der versklavenden und im Tod haltenden Bindung der Sünde befreit :Röm. 6,23:, sodass sie ihn weggehen lassen, weil sich Jesus (wenn auch später) für seine Gläubigen auf Golgatha zur Sünde machen ließ :2.Kor. 5,21; Joh. 3,14:, von den Juden gebunden wurde :Joh. 18,12; Joh. 19,40: und sich von ihnen in eine Gruft geben ließ.
Dass die Scherstreifen und das Schweißtuch des auferstandenen Lazarus die Todesbindung der Sünde darstellen, wird u. a. durch Joh. 11,44*Joh. 20,23 bestätigt, denn der auferstandene Herr gab seinen Jüngern die Autorität, Sünden zu vergeben bzw. festzuhalten.
Jesus ließ sich binden und nahm die Sünden der „Welt“ auf sich, damit seine Schafe aus dem finsteren Machtbereich der gesetzlichen Juden (das ist der in der Gruft des Lazarus dargestellte „Hof“ des irdischen, sklavischen Jerusalem) weggehen können :Gal. 4,4+5+25: und, als Gerettete, eine reiche Weide des Lebens finden :Röm. 8,1+2; Gal. 3,13; Jes. 35,10:.
Dass die Juden der Jerusalem-Welt den Herrn banden, ist also mit der Loslösung seiner Gläubigen identisch.
Indem sie Jesus fesselten, wurden wir von ihnen und ihrem versklavenden und in den Fluch führenden Gesetz freigebunden.
Die Obersten des jetzigen Äons wussten nicht, was sie taten :1.Kor. 2,8:.
Die zum Leben erweckten Schafe Jesu kehren zum Aufenthaltsort zurück, in dem sie einst zusammen mit dem Christus waren, nämlich zum freien himmlischen Jerusalem des Gott-Vaters :Gal. 4,26; Joh. 1,39:.
Dies erklärt die strukturelle Verbindung des Hinauskommens und Weggehens des Lazarus mit dem Hinauskommen und Weggehen Jesu zum Gott-Vater laut Joh. 11,44*Joh. 13,3.
Nach einer anderen Deutungsebene, entspricht das Sichtbarwerden des erweckten Lazarus der Offenbarung des auferstandenen Herrn. (Diese inhaltliche Verknüpfung ist nicht spiegelgleich, sondern parallel.)
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.