17.07.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{23} Die beim Ehebruch ergriffene Frau (Joh. 8,1-11)
Als sie aber das hörten, gingen sie ‘von ihrem Gewissen gestraft’ einer nach dem andern hinaus, die Ältesten zuerst; Jesus aber ward allein gelassen, mit dem Weib, das in der Mitte stand. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 8,9 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
In Joh. 8,9 wird die Identität der über ihre bösen Werke vom Licht Jesu überführten Welt offenbar, denn die Schriftgelehrten und Pharisäer wurden von ihm über ihre eigene Sünde beschämt.
Sie sind der das Licht Gottes nicht annehmende Jerusalem-Kosmos (die Jerusalem-"Welt"), sodass ihre Sünde, im Unterschied zur Sünde der Ehebrecherin, bleibt.
Da sie das Lamm Gottes ablehnen, kann das Heilswerk Jesu für sie noch nicht wirksam werden, d. h. Jesus hat ihre Sünden zwar auf sich genommen, aber faktisch lasten sie weiterhin auf ihnen :Joh. 9,41:.
Beim Sohn Gottes vermag nur derjenige zu sein, der seine Sündhaftigkeit und Verlorenheit bekennt und die für ihn von Gott auf Golgatha Vollbrachte Rettung persönlich als Gnade im Glauben in Anspruch nimmt.
Wer dies nicht tun kann oder es nicht tun will, muss seine gegen die Leibesglieder des Herrn gerichteten „Steine“ fallen lassen und dem durchstrahlenden Licht Gottes rasch weichen.
Er vermag sie ebenso wenig zu steinigen, wie die ungläubigen Juden Jesus festnehmen konnten.
Der tiefere Grund hierfür liegt in der Unreinheit der Kosmischen und der Heiligkeit des Christus.
Der uneinsichtige Ankläger der Brüder wird weder in das „Schiff“ der Geretteten hineingenommen noch ständigt sich ihm Jesus bei.
Hingegen sind solche, die mit Jesus „allein“ bleiben, nicht allein, auch wenn dies äußerlich so zu sein scheint, denn sie haben den ihn sendenden Gott-Vater, der sie niemals verlässt.
Anders als die weggehenden gesetzlichen Lohnarbeiter, kümmert sich der ideale Hirte um die Schafe. Er lässt sogar seine Seele für sie.
Joh. 8,3 [D4] <Joh. 8,7*> Joh. 8,9 [D2]
[Joh. 8,3 Die Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen ein Weib [zu ihm], im Ehebruch ergriffen, und stellen sie in die Mitte] (4)
[Joh. 8,9 „Als sie aber dies hörten, gingen sie einer nach dem anderen hinaus, anfangend von den Ältesten bis zu den Letzten; und Jesus wurde allein gelassen mit dem Weibe in der Mitte.“] (2)
Offensichtlich spiegelt sich die Vorführung der Ehebrecherin im völligen Verschwinden der Schriftgelehrten und Pharisäer („von den Ältesten bis zu den Letzten“ :Joh. 8,9) wider.
Ihre Ankläger brachten die Frau in die Mitte (der Jerusalemer Weihestätte) zu Jesus :Joh. 8,3:. Sie ließen sie schließlich mit Jesus allein in dieser Mitte :Joh. 8,9.
Aus einem der Träume des Christus-Darstellers Josef :1.Mose 37,7: und aus Ri. 9,37, Hes. 38,12 und Mt. 12,40 lässt sich ableiten, wo sich diese Mitte befindet, in der Christus auf(er)stand: es geht hierbei um den auch als „Feld“ oder „Garten“ bezeichneten Jerusalem-Kosmos.
In Joh. 8,7 nahm Jesus in dieser Mitte Babylons Stand. Hier, im Zentrum der Erde, auferstand das Lamm Gottes.
An diesem Ort werden auch seine Leibesglieder, u. a. die beiden Endzeitzeugen Elia und Moses, erstehen :Offb. 11,8+11; Joh. 8,10:.
Sowohl die Anklage und Beseitigung der Erwählten des Herrn :Offb. 18,24; Offb. 17,6:, als auch ihre Rechtfertigung und Bewahrung vor dem Gericht :Offb. 12,14: erfolgen in dieser Stadt der falschen Mitte der Gesetzischen :Joh. 8,3+9:.
Die Pseudomitte ist u. a. der falsche Baum :1.Mose 2,9; 1.Mose 3,3:, der Ort der Aussaat des diabolischen Mischsamens :Mt. 13,25:.
In dieser „Mitte“ fällt man durch den Weinrausch der „tanzenden Hure Babylon“ :1.Mose 9,21; Mt. 14,6:.
Sie ist das mit Feuer zu richtende Sodom-Jerusalem :1.Mose 18,24; 1.Mose 19,29:.
Wer in Mitte des anklägerischen Babylon Sitz nimmt :Kol. 2,14:, kommt in Gefahr, den Herrn zu verleugnen :Lk. 22,55ff:.
Deshalb werden wir dazu aufgerufen, aus dieser zu richtenden Mitte hinauszukommen :2.Kor. 6,17:.
Wenn der letzte Leibesteil des Christus diese diabolische Mitte verlassen hat, wird in ihr am 1265. Tag nach Punkt „Mitternacht“ die wesenhafte Fälschung, der Antichristus, offenbar werden :2.Thes. 2,7-10:.
Das unheilige irdische Jerusalem ist die Anti-Mitte zur wirklichen Mitte. Letztere ist das himmlische Jerusalem, d. h. die mit dem Christus allein gelassene geheiligte Braut :Joh. 8,9:.
Draußen befinden sich die zur eigentlichen Hure zählenden anklägerischen Sünder. Sie sind weit davon entfernt, sich weiterhin als die „Mitte“ darstellen zu können.
Vor dem Licht Gottes muss jede Finsternis weichen. Auch das „zauberhafte“ und „verzaubernde“ falsche Licht der Nacht.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.