20.11.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{29} Jesus erweckt Lazarus zum Leben (Teil 2/2: Joh. 11,36-54)
Etliche aber von ihnen sprachen: Konnte der, welcher dem Blinden die Augen aufgetan hat, nicht machen, daß auch dieser nicht stürbe? (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 11,37 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Die Unwissenden verstehen nicht, dass es nicht ausreicht, dass der Herr die Augen der Blinden öffnet, denn zur Rettung seiner Schafe war es erforderlich, seine Seele zu geben.
Sein „Schaf“ Lazarus wurde durch den Preis des Todes Jesu auf Golgatha aus der Todestiefe befreit. Der Herr musste in den Tod gehen, damit sein Freund Lazarus nie wieder den Tod sieht.
Nicht in seiner Macht, sondern in seiner Machtlosigkeit sollte Jesus für seine Freunde über den Tod siegen. Das ist das Werk des Sohns.
Wem der Herr die Augen hierfür öffnet, der wurde wirklich und bleibend „hinauf-blickfähig“.
Es sind die himmlischen Reden „ewigen“ Lebens Jesu, die von dieser Wahrheit zeugen und die Blinden sehend machen.
Hätte Jesus Lazarus‘ Tod verhindert, dann wäre es nicht möglich gewesen, an seine höhere Vollmacht zu glauben :Joh. 11,15:.
Die ungläubigen Kosmischen billigen dem Herrn aber nicht einmal die irdische Vollmacht zu oder sie fordern sie als ein falsches, d. h. nicht dem Willen des Gott-Vaters entsprechendes „Anti“ ein :Joh. 11,37:.
Laut dem Chiasmus in Joh. 11,1-54 spiegelt sich Joh. 11,30+31 in Joh. 11,36+37 wider.
Auf beiden Seiten dieser Textstruktur geht es um Missverständnisse der Juden.
Maria stand nämlich nicht auf, um zu Lazarus' Gruft zu eilen und den Tod ihres Bruders zu betrauern, wie dies die Menge vermutete, sondern sie wollte Jesus, dem Leben in Person, begegnen. Es ging nicht darum, den geliebten Lazarus zu beweinen. Das wäre Unglaube gewesen.
Dementsprechend irrten die weinenden Juden, als sie Jesus weinen sahen. Seine Tränen galten nicht dem geliebten verstorbenen Lazarus, sondern er weinte wegen des Unglaubens der geistlich toten Menschen.
In beiden Fällen wurde angenommen, der Grund für das jeweilige Tun sei die Trauer um Lazarus.
Dass Jesus nichts tat, um Lazarus davor zu bewahren, in den Tod zu gehen :Joh. 11,37:, lag nicht daran, dass er zu spät nach Bethanien kam, sondern weil er sich u. a. in dem Ort aufgehalten hatte, in dem ihm zuvor Martha begegnet war :Joh. 11,30:.
Es geht nicht darum, was Jesus machen oder nicht machen kann, sondern warum er so handelt, wie er handelt und welcher Geist dahintersteht.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.