28.12.2019 | "Nicht ich, sondern Christus in mir" (Johannes Lohmann) | In „Verschiedene Themen“ | von Freddy Baum
In 2. Timotheus 3, 1 ff. schildert der Geist Gottes die Zeitströmung, den Zeitgeist der letzten Zeit: Die Menschen (nicht einzelne) werden solche sein, die viel von sich halten (man könnte auch übersetzen: die sich selbst lieben oder selbstsüchtig sind). Das ist das Kennzeichen Babels! Der Unkrautsame ist aufgegangen und ausgereift zur Ernte; das Ende krönt den Anfang.
In 1. Mose 11 sehen wir die Entstehung Babels: "Lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, damit wir uns einen Namen machen!" Einen himmelhohen Thron für die Menschheit! (Gibt es keine himmelhohen Throne unter uns, auch unter den Gläubigen?) Nicht mehr Gott, sondern der Mensch steht im Mittelpunkt.
Bis zum Sintflutgericht waren es einzelne gewesen, die sich auf den Thron erhoben, jetzt eine Zusammenfassung der Menschheit (ein Völkerbund, vgl. 1. Mose 10) zur Thronerhebung der Menschheit, das heißt "des Menschen". Der Herr stürzt den Menschen vom Thron und zersprengt und zerstreut diesen Völkerbund (1. Mose 11, 8).
Nicht lange, so erhebt sich Nebukadnezar, der erste Weltherrscher Babels, auf seinem Weltenthron: "Das ist das stolze Babel, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit!" (Daniel 4, 27).
In der Ebene Dura richtet er in Riesenmaßen das goldene Bild des Menschen, der Menschheit (in Anlehnung an Daniel 2, 31-35) auf mit der Zahl 60 + 6 = 66 (Sechs als symbolische Zahl des Menschen, aber noch nicht reif zur Ernte, vgl. auch Offenbarung 13, 18), und die Vertreter der ganzen damaligen Kulturwelt, der ganzen Menschheit kommen und beten es an in berauschender Festversammlung. Die Menschheit betet sich selbst an - der Mensch auf dem Thron! (Daniel 3).
Das ist der Sinn der Menschheit, der Zeitgeist Babels, der Hure Babylon, die da - bekleidet mit Purpur und Scharlach - thront auf dem scharlachfarbenen Tier (der Gesamtheit aller Kulturreiche aller Zeiten) über Völkern, Scharen, Heiden, Sprachen und spricht: "Ich sitze als eine Königin" (vgl. Offenbarung 17 und 18), bis hin zu jenem letzten Weltherrscher Babels, dem Menschen der Sünde, "der da ist der Widersacher und sich überhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt, also dass er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott und gibt sich aus, er sei Gott" (2. Thessalonicher 2, 4).
Auch unser deutsches Volk hat aus Babels goldenem Taumelkelch getrunken und babylonisch geschwärmt: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen!" und hat sich berauscht am Dünkel christusfeindlicher Wissenschaft und den anderen Völkern davon zu trinken gegeben. Und der Ungelehrte hat geprahlt: "Ich mache mir meine Religion selbst zurecht!" Gott soll sich noch geehrt fühlen, wenn ein solcher armer Menschenwurm so freundlich ist, den ersten Artikel des Glaubensbekenntnisses zu glauben; vom zweiten und dritten kann ja keine Rede mehr sein. Glaubst du wirklich, Gott wird sich nach dir richten?
Dem entspricht im Einzelleben des kleinen Menschen die Sucht, eine Rolle zu spielen - in der Familie, im Verein, in der Gesellschaft und Politik, auch auf christlichem Boden, in Kirche oder Gemeinschaft eine Rolle zu spielen (schon das Kind in der Schule will unter den Mitschülern eine Rolle spielen), und die Empfindlichkeit, wenn man darin gestört oder eingeengt wird, wenn man nicht anerkannt, nicht beachtet wird; die Eifersucht, wenn eine andere Größe sich neben der eigenen erhebt. Da kann man für die Sache des Herrn eifern und doch zugleich das Lamm Gottes verlassen. So ging es den Pharisäern.
Das Ich in seinem Hochmut zeigt sich nicht nur in der Eifersucht gegen Menschen, nicht nur in der Sucht, die anderen Menschen zu kritisieren, sondern vor allem in der Sucht, Gott, Gottes Wege, Gottes Wort zu kritisieren, statt dass wir in dem Bewusstsein, dass Gott für das menschliche Ich - auch für das klügste und gelehrteste, und oft für die am meisten - unfassbar ist (sonst wäre Er nicht Gott), flehen um die Erleuchtung durch den Heiligen Geist in unserem Geist, damit dieser das Wort der Bibel als eine Selbstoffenbarung Gottes empfange. Wer mit seinem Ich an die Bibel herantritt, dem erscheint sie nicht als Gottesoffenbarung, als Wort des Lebens, sondern als ein totes Wort menschlicher Werkzeuge.
Was setzt Gott diesem Seinen Thron stürmenden Größenwahn des Menschen entgegen? "Uns ist ein Kind geboren!" Und dieses Kind ist der "wunderbare Rat": ist der Erlöser der Menschheit. Und dieser Erlöser sagt: "Wer unter euch groß werden will, der soll euer Diener sein. Und so jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Knecht" (Markus 9, 35; 10, 43ff.).
Und du? Und ich?
Was trennt die Ehegatten, die Nachbarn, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Stände, Parteien und Völker? Ist es nicht das Ich auf allen Seiten? Ohne das wäre die Erde trotz aller Mühsal ein Paradies.
Und ist nicht das "Papsttum" die größte Not unserer Gemeinden und Gemeinschaften - gleichviel ob der Hirte oder die Herde der Papst ist? Da sieht der Hirte die Gemeinde an als Gegenstand seines Wirkens, an dem er seine Grundsätze und Ideen, sein Organisationstalent, seine Eigenart - sein Ich - verwirklichen und zur Geltung bringen und seine Tüchtigkeit vor aller Welt erweisen möchte (Daniel 4, 27ff.). Er vergisst, dass nicht die Herde um des Hirten willen da ist, sondern umgekehrt, und dass er selbst nur ein Glied der Gemeinde ist, und versäumt über dem Anblick der Mängel, die er bekämpft, die (in Gottes Augen) viel größeren Mängel und Sünden in sich selbst zu bekämpfen.
Und umgekehrt: Wie oft sehen die Mitglieder der Gemeinde den Hirten nur als ein Werkzeug an, um die Gemeinde vorwärts zu bringen und an Geld, Zahl, Ansehen, Macht und Einfluss zu vermehren. Sie sieht ihn nicht als einen, der berufen ist, Gott zu dienen, nicht als den Kämpfer in vorderster Front, der von allen priesterlich gestützt und gestärkt werden muss. Babel!
Wir müssen alle herunter vom Thron an das Kreuz: Die "studierten" Pfarrer, die Herren Prediger, die verehrten Schwestern aller Art, die Säulen und Zierden der Gemeinden, Gemeinschaften, Vereine, der Kirche, des Staates, der Parteien, die Alten und Jungen, die Männer und Frauen, Eltern und Kinder! Gläubige und Ungläubige, Schwarze, Rote, Reiche, Arme, Professoren, Philosophen und Lehrer! Alle! Wer umkehrt und wird wie ein Kind, der wird die Königsherrschaft Gottes sehen!
Jesus Christus, der Herr, muss den Thron haben!
Sieh, dann bleibst du nicht mehr hängen an dem: "Die anderen wollen nicht Buße tun!" Wie können sie denn Buße tun? Wenn du wirklich Buße tust, deinen Eigenwillen, deine Papstherrlichkeit drangibst, dann!
Da suchst du die Schuld an all den Schwierigkeiten nicht mehr bei den anderen, sondern bringst dein Ich zum Opfer, gibst berechtigte Vorteile dran, lässt andere recht behalten, um anderen Raum zu machen zur Buße, Raum, an das Kreuz zu kommen.
Das Lamm, das erwürgt ist, ist würdig, zu nehmen alles, was ich vielleicht durch viel Kampf und Lebensarbeit errungen habe an Kraft und Weisheit und Erfolg und Ehre und Preis und Lob (Offenbarung 5, 12). "Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil" (Psalm 73, 26).
Das erste Gebot Gottes ist: "Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir" (2. Mose 20, 2f.) - am wenigsten dein eigenes Ich!
Am Ende wird durch Gottes Gnade oder Gericht aller Geschöpfe Thron in den Staub gelegt werden. Es werden in Errettung oder Verdammnis alle im Himmel und auf Erden und unter der Erde ihre Knie im Namen Jesu beugen (Philipper 2, 10f.), Gesegnete und Verfluchte (Matthäus 25), auch die Feinde Jesu (Lukas 19, 27), auch der "Babelskönig" (Jesaja 14, 12ff.), auch der Antichrist und falsche Prophet (Offenbarung 19, 20), die Hölle und alle, die nicht geschrieben sind in dem Buch des Lammes (Offenbarung 20, 14f.). Und endlich wird die Harmonie in der Schöpfung vollendet sein (Offenbarung 21, 3ff.).
"Wenn aber alles dem Sohn untertan sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles untergetan hat, auf dass Gott sei alles in allen" (1. Korinther 15, 28).
3a Das Ich-Leben als Tod des wahren Lebens (1)
3b Babel (2)
3c "Ich bin der Herr, mein Gott!" (3)
3d Das Ich als Selbstsucht und Selbstliebe (4)
3e Das Ich als Verzagtheit und Unglaube (5)
3f Das Ich auf dem Thron der Selbstgerechtigkeit (6)
3j Was bedeutet "Nicht ich"? (10)
3k Die Befreiung des Sklaven (11)