03.04.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{12} Jesus heilt einen Kranken am Sabbat (Joh. 5,1-18)
Aber der Geheilte wußte nicht, wer es war, denn Jesus war entwichen, weil so viel Volk an dem Orte war. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 5,13 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Dass der Geheilte Bethesdas die Identität Jesu nicht kannte, entspricht dem dem Umstand, dass der Oberste des in der Nähe von Kana stattfindenden Hochzeitsmahles nicht wusste, woher der ideale Wein kam.
Sie gleicht auch der vom Täufer attestierten Unkenntnis der Pharisäer, wer inmitten der Menge ihres Ortes (Jerusalemer Tempelberg) stand.
Deren Unkenntnis der Identität des Täufers impliziert das Unwissen darüber, wer der Christus ist.
Denn wer den einen kennt, erkennt zwangsläufig auch den anderen. Wer jedoch nicht begreift, dass Johannes der reinkarnierte Elia war, weiß auch nicht, dass Jesus der Christus ist.
Die Mitte des Ortes des Geheilten (Jerusalemer Tempelberg) steht der Mitte des Ortes der Kreuzigung Jesu inhaltlich und räumlich gegenüber (Ölberg).
Dieser Chiasmus bestätigt, dass die Heilung des Schwachen durch die Übernahme seiner Schwachheit auf Golgatha bewirkt wurde, wo Jesus inmitten zweier Sünder am „Stehenden“ (Pfahl; Kreuz) erhöht wurde.
Auf dem Ölberg empfing nur der zur Rechten Jesu Gekreuzigte das Leben Gottes im Glauben, sodass auch in der Mitte des Ortes der Juden (auf dem Tempelberg) nur derjenige das Leben hat, der die Identität dessen erkennt, der dort steht und glaubt, was er von ihm sieht.
Die große Menschenmenge in der Mitte des Ortes der Heilung des Schwachen (Tempelberg) spiegelt sich in den vielen Juden wider, die den Titel des gekreuzigten Jesus lasen, weil die Stätte seines Gerichts (Golgatha auf dem Ölberg) diesem Ort der Stadt nahe war.
Der Umstand, dass der Geheilte die Identität Jesu noch nicht kannte, gleicht auch der Unfähigkeit des nicht aus Wasser und Geist geborenen Nikodemus, das zu ihm redende wesenhafte „Reich“ (Jesus in Person) zu sehen, sodass der Pharisäer dem Geheilten entspricht und auch dem obersten Diener der Hochzeitsfeier in Kana gleicht.
Dieses Unvermögen zeigt sich in der Unkenntnis des „Woher“ des gekommenen und des „Wohin“ des weggegangenen Geistes, die mit dem Unwissen über das Kommen und Weggehen Jesu identisch ist.
Wegen der großen Menge verließ Jesus den Ort der Heilung, sodass ein räumlicher Abstand zum Geheilten Bethesdas eingenommen wurde.
Er entspricht der Distanzierung Jesu von der vielzähligen Menge, nachdem er sie gespeist hatte. In beiden Fällen sonderte sich Jesus ab, nachdem er „Leben“ (Heilung bzw. Nahrung) vermittelt hatte.
Wie der Chiasmus in Joh. 5,1-18 zeigt, spiegelt sich die zweifache Erwähnung, dass der geheilte „Mensch“ seine Liegematte wegheben und wandeln soll bzw. er sie tatsächlich aufhob und umherspazierte :Joh. 5,8+9: in der erneuten zweifachen Erwähnung dieses Geschehens in Joh. 5,11+12 wider. (Hier wird Jesus „der Mensch“ genannt :Joh. 5,12:.)
Offensichtlich wird im vorliegenden Text das Nehmen der Liegematte und das Umhergehen des Geheilten betont.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.