25.09.2023 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{26} Die Heilung eines Blindgeborenen (Joh. 9,1-41)
Etliche sagten: Er ist's! andere aber: Nein, aber er sieht ihm ähnlich! Er selbst sagte: Ich bin's! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 9,9 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Laut der vorliegenden Textstruktur, entspricht das „Ich bin's“ dessen, der zum Sehen kam, also seine Identifikation als derjenige, der früher blind am Wegesrand saß und um Almosen bettelte, der Bestätigung Jesu, der Lehrer und Herr seiner Jünger sein, also der „Ich bin“ Gottes.
In beiden Fällen handelt es sich um ein Selbstzeugnis dessen, der das Licht hat.
Joh. 6,69 [D62] <Joh. 8,7*> Joh. 9,9 [D61]
Joh. 6,69 und wir, wir sind zum Treun* gekommen und haben kennengelernt, dass du, ja du, der Heilige* Gottes bist. (62)
Joh. 9,9 Andere sagten: Dieser ist's. Andere aber sagten: Nicht ist's so, sondern ihm gleich ist er. Jener aber sagte da: Ich, ich bin's. (61)
Der Zweifel daran, dass Jesus der Christus ist (viele seiner Jünger verließen ihn, weil sie es nicht ertrugen, dass man zu ihm nur dann kommen kann, wenn es vom Gott-Vater geschenkt wird :Joh. 6,65+66:) und der Zweifel der Menschen an der Identität des von Jesus geheilten blinden Bettlers :Joh. 9,9: entsprechen im vorliegenden Versvergleich einander.
Hingegen gleicht Petrus‘ Glaubenszeugnis, Jesus sei wirklich derjenige, der die Reden des „ewigen“ Lebens hat und der Heilige Gottes ist :Joh. 6,68+69: dem Selbstzeugnis des vom Herrn Geheilten, er sei wirklich derjenige, den die Nachbarn einst als einen blinden Bettler gekannt haben :Joh. 9,8+9:.
Demnach entsprechen die ungläubigen Jünger Jesu den Menschen, die nicht glauben wollten, dass ein Blinder geheilt werden konnte.
Mehr noch: ungläubige „Christen“ bestreiten, geistlich blind zu sein.
Petrus und die übrigen Jünger Jesu besaßen hingegen die geöffneten Geistesaugen des Glaubens. An den Reden des Herrn erkannten sie seine außergewöhnliche Stellung. (Siehe hierzu u. a. Joh. 3,34 und Joh. 7,46.)
Schließlich gleichen der heilende Jesus und der von ihm Geheilte darin einander, dass sie im Zentrum des Interesses des Öffentlichkeit standen und über sie im Volk Uneinigkeit herrschte.
In der Mitte von Joh. 6,69*Joh. 9,9, in Joh. 8,1-11 und in dessen textlichem Zentrum, in Joh. 8,7, führten diese Differenzen der persönlichen Einstellung zu Jesus zu einem Höhepunkt der Konfrontation zwischen der ungläubigen Jerusalemer Pseudogeistlichkeit und dem Herrn.
Hier richtete sich Jesus auf und sprach die himmlische Gnadenrede des Gott-Vaters in Vollmacht, welche die ungläubigen Ankläger der sündigen Frau richtete.
Jesus erwies sich in Joh. 8,7 als der Heilige Gottes :Joh. 6,69:, dessen Wort „ewiges“ Leben bewirkt :Joh. 6,68: und solche, die an ihn glauben zum Bleiben veranlasst.
Die ungläubigen Gesetzischen können diese mündliche Lehre des Christus nicht aushalten, sodass sie weggehen und den Herrn mit denen, die er heiligte und heilte allein lassen :Joh. 8,9+10; Joh. 6,66+67:.
Die Offenbarung der Identität des Christus ist auch in Joh. 4,26 eng mit seinem Sprechen verbunden.
Allein in seinem Wort sieht man den „Ich bin“, der der Tempel des Vaters ist, in dem Gott durch den Geist der Wahrheit angebetet werden kann.
Die irdische Weihestätte der Gesetzischen und das aus ihr herausgehende Wort kann das bleibende Leben hingegen nicht hervorbringen.
Sie vermag nicht einmal Blinde sehend zu machen, sondern ist ein Tempel für blinde Wegesleiter der Blinden.
Als ein Teil seiner göttlichen Leibesherrlichkeit dürfen die zu Christus gehörenden Sehenden jedoch den Gottesnamen „Ich bin“ bezeugen :Joh. 9,9:. Als solche, die vom Vater beschenkt wurden, gehören sie dem himmlischen Tempel an.
Die babylonischen „Geistlichen“ warfen den einst blinden, nun aber sogar zum wesenhaften „Hinaufblick“ Fähigen aus ihrem Tempel hinaus :Joh. 9,34:, denn sie wollten keine Jünger Jesu sein :Joh. 9,27+28:.
Sie ertrugen das Wort des Herrn nicht. Sie liebten die „Gesetzesreden“ des Moses und hingen der diabolischen kabbalistischen Überlieferung und anderen Menschensatzungen an, die angeblich auf Moses zurückzuführen waren :Joh. 9,29:.
Der Stand als ein Jünger Jesu bzw. als ein Ungläubiger zeigt sich demnach darin, ob das Gnadenwort als das des vom Gott-Vater entsandten Himmlischen angenommen oder abgelehnt wird.
Entweder man akzeptiert Jesus als den Heiligen Gottes und wesenhaften Tempel des Geistes oder man verwirft ihn als den solchen.
Der Glaube kommt aus dem Wort des „Ich bin“, d. h. aus der Rede des göttlichen Christus.
Die ehebrecherische Frau wurde geistlich sehend, als Jesus sie heiligte. Ihre superfrommen, aber in Wirklichkeit sündigen Ankläger blieben jedoch als „Blinde“ in ihrer Sünde, da sie dem Heiligen Gottes nicht glaubten.
Sie konnten das „Ich bin's“ nicht sagen, denn diese Worte spricht nur derjenige aus, der darin auch seinen Heiler und Retter bezeugt.
Diejenigen, die sich gesund und sehend wähnen, glauben jedoch, dieses göttlichen Arztes nicht zu bedürfen. Sie lehnen das von Petrus bezeugte „Du, du .... bist“ ab :Joh. 6,69: und vermögen deshalb nicht zum Vater hinaufzublicken :Joh. 14,6:. Sie sind keine Geheiligten Gottes.
Ironischerweise klagen ausgerechnet solche die geheiligten und geheilten Sehenden Jesu an, die sündig und blind sind, aber von sich selbst glauben, heilig und sehend zu sein :Joh. 9,2+34; Joh. 8,7:. Dies ist das tragische Wesen ihrer babylonischen Heuchelei.
In dem „Ich bin es“ des einst Blinden in Joh. 9,9 wird also mehr angedeutet, als auf den ersten Blick erkannt wird. Es besteht kein Zweifel über seine neue Identität.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.