27.05.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{38} Die Kreuzigung Jesu (Joh. 19,17-22)
Pilatus aber schrieb eine Überschrift und heftete sie an das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus, der Nazarener, der König der Juden. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 19,19 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
In den Joh. 19,19 betreffenden Makrostrukturen geht es hauptsächlich um die Frage nach der himmlischen bzw. irdischen Identität Jesu.
Der von Pilatus geschriebene Titel des Herrn, d. h. die am Kreuz von Golgatha angebrachte Anklageschrift Jesu in drei Sprachen, betrifft die irdische Erkenntnis der Herkunft bzw. des Standes des Herrn als ein Nazarener (Mensch) und vermeintlicher König der Juden („kosmische“ / menschliche Regentschaft).
Pilatus‘ Frage, ob Jesus der König der Juden sei (Rechtsfindung), spiegelt sich textlich darin wider, dass der römische Statthalter exakt diesen Titel an das Kreuz Jesu setzte (Urteilsspruch).
Ebenso steht der Umstand, dass Jesus als der König der Juden verspottet wurde dieser später von Pilatus verfassten Schrift textlich gegenüber.
Im Gegensatz zur Anklageschrift, offenbarte Jesus seine himmlische Identität, als er Gott seinen Vater nannte.
Zu dieser göttlichen Wesenheit Jesu gehören seine Lehre, die ihm der Vater gab und seine Jünger, die sich seiner geistlich-himmlischen Hauptschaft unterordnen und Jesus als Gott und Sohn Gottes wahrnehmen.
Sie sind das Gegenbild der Juden der „Jerusalem-Welt“.
Letztere können das höhere Sein des Herrn nicht sehen. Sie kennen Jesus lediglich als „den Menschen“.
Die Juden wollten vom Genesenen Bethesdas wissen, wer der Mensch war, der ihn anwies, mit seiner Liegematte umherzugehen.
Diese Frage wird im Titel des sein Kreuz nach Golgatha tragenden Nazareners und „Königs der Juden“ aus einer sehr jüdisch-irdischen Perspektive beantwortet, die Pilatus schriftlich fixierte, aber selbst nicht teilte.
Man kann Zusammenhänge, die außerhalb des irdischen Horizonts liegen nur erkennen, wenn man die Lehre Jesu als das himmlische Vater-Wort ins Herz nimmt.
So erkannten die am Kreuz (hell. „Stehender“) Jesu stehende Maria (die Mutter des Herrn) und sein Jünger Johannes eine „familiäre“ Verbindung, die nichts mit ihrer irdischen genetischen Abstammung zu tun hatte.
Als die beiden Jesus von oben sprechen hörten und zu ihm hinaufblickten, begriffen sie ihre präexistenzielle Identität. Ihnen wurde klar, dass der Mensch Jesus himmlischer Herkunft ist.
Im Gegensatz hierzu kannten die Juden der „Jerusalem-Welt“ lediglich die völkische „Familie“.
Als Menschen, die nicht zum Himmel hinaufblickten, war ihnen wichtig, dass sie von Abraham, Isaak und Jakob abstammten. Folglich nahmen ihre „weltlichen“ Augen nur das Irdische wahr, als sie zum Kreuz hinaufblickten.
Weil ihm die Gotterkenntnis fehlte, die im Hören der wesenhaften Wahrheit vermittelt wird, besaß das Volk nach dem Fleisch keine höhere Selbsterkenntnis.
Es war mit der „Gnade Gottes“ (wörtliche Bedeutung des Namens „Johannes“) nicht verwandt und gehörte nicht der Himmelsstadt an. „Johannes“ war für diese Menschen weder ein „Sohn“, noch wurden sie ihm zur „Mutter“.
Im textlichen Gegenüber des dreifachen „Jesus, der Nasarener, der Regent der Juden“ nannte Jesus Petrus dreimal „Simon des Johannes“, d. h. übersetzt „Erhörung, Sohn der Gnaden Jahwes“.
Weil Jesus am Kreuz von Golgatha dreifach als König der Juden geschmäht wurde und wir sein Himmelswort des stellvertretenden Opfers Gottes in unserem Herzen hören können, sodass wir geistlich hinaufblicken, sind auch wir Kinder der Gnade Gottes und gehören seinem himmlischen Reich an.
Wir sind sein hörendes und von ihm erhörtes Volk nach der Gnade :Apg.15,14:.
Wenn wir zum Kreuz von Golgatha blicken, sehen wir den Regenten des himmlischen Zion :Hebr. 12,22:, der ein König aller Menschen ist, die ihm für sein Heilswerk danken, denn diese sind die wahrhaften Juden.
Zu Joh. 19,19, siehe Joh. 21,22.
Joh. 19,19+23; Offb. 19,16
Joh. 19,19 (Joh. // Offb.) Offb. 19,16
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.