27.08.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{44} Jesus erscheint Maria Magdalena (Joh. 20,11-18)
und sieht zwei Engel in weißen Kleidern sitzen, den einen zu den Häupten, den andern zu den Füßen, wo der Leib Jesu gelegen hatte. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,12 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Als eine Kontrastparallele zu Golgatha, wo man die Beine der beiden links und rechts von Jesus Mitgekreuzigten brach und die Leichen von ihren Pfählen hinabnahm (sie waren fortan verschwunden), sodass der tote Leib Jesu inmitten der beiden leeren Fluchhölzer allein übrig blieb, war nun der Herr aus der Gruft entfernt worden. (Zumindest meinte Maria Magdalena, jemand habe den Leib Jesu weggetragen (DÜ „enthoben“) :Joh. 20,13:.)
Dort, wo die Füße und der Kopf seines toten Körpers gelegen hatten, befanden sich nun zwei Engel, die an dieser Stelle gewissermaßen übrig blieben. Nun fehlte aber die Mitte. Jesus war verschwunden.
Der Ort des einen der beiden Engel in der Gruft, da wo die Füße des Toten gewesen waren, hat laut Joh. 12,3*Joh. 20,12 mit der für seine Grablegung erfolgenden Salbung der Füße des damals noch lebenden Jesus zu tun.
Diese zwei Engel umgaben den ehemaligen Ort des toten Leibes des nun wieder lebenden Jesus oben und unten und die beiden Mitgekreuzigten des einst Lebenden hingegen links und rechts von ihm an ihren eigenen Pfählen.
Das Fehlen des toten Herrn in der finsteren Gruft Babylons ist das Gegenteil seiner späteren Offenbarung als ein Lebender inmitten seiner Jünger, die ihn „engelgleich“ als seine wesenhafte Herrlichkeit umgaben.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten und keinen Kompromiss dazwischen: Entweder man glaubt nicht an Jesus, dann ist er ein toter Irrlehrer, dessen Leiche man versteckte, um die Lüge seiner Auferstehung verbreiten zu können oder er bildet, als der tatsächlich auferstandene Gott und Mensch das Zentrum seiner Gläubigen.
Im Grab wird man den wahrhaft Lebenden aber nicht finden. Wer ihn heute noch dort sucht, dem fehlt das Herz des Glaubens.
Zu Joh. 20,11+12, siehe Joh. 20,14.
W. Gage schreibt Folgendes in „Theological Poetics: Typology, Symbol and the Christ“.
(Die Formatierung in dieser unautorisierten freien Übersetzung aus Seite 12 des Buchs wurde hinzugefügt.)
„Die Ablehnung der Typologie führt zu einem großen Verlust an Schönheit, Güte und Wahrheit der Heiligen Schrift. Zum Beispiel baut der Apostel Johannes sein Evangelium wie einen geordneten Gang durch die Stiftshütte (Zelt) des Moses auf. So zeigt er, wie Jesus bei uns Menschen „Zelt hatte“ (Joh. 1,14). Es ist eine typologische tour de force (Kräftetour).
Der bedeutendste Einrichtungsgegenstand in der Stiftshütte war die im Allerheiligsten platzierte Bundeslade, der symbolische Thron des lebenden Gottes (Ps. 99,1). Sie stellte die Gegenwart Gottes in seinem Volk dar.
Über der Bundeslade befanden sich zwei Engelfiguren, eine am „Kopf“ der Lade und die andere an deren „Fuß“.
Diesen Gnadenstuhl bewundernd, neigten beiden Engel ihre Häupter. Ihr Blick ist auf den heiligen Platz zwischen ihnen gerichtet, wohin der Hohepriester Israels das Blut sprengte, das die Sünden des Volkes tilgte.
Dem Muster der Stiftshütte folgend, bringt uns Johannes in seinem Evangelium am Auferstehungsmorgen in das „Allerheiligste“ hinein. Maria Magdalena, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte, steht weinend vor dem Grab, denn sie weiß nicht, wo Jesus ist.
Demütig bückt sie sich, um in die Gruft hineinzublicken. Maria sieht zwei Engel. Auf dem Platz, wo der Leib Jesus lag, sitzt einer am Kopf- und der andere am Fußende.
Zwischen den beiden Engeln liegen die blutgetränkten Gewänder des Retters, dessen Tod die Sünden seines Volkes für immer tilgte.
Mit anderen Worten: Johannes berichtet uns, dass Jesus das Grab, den Platz der Unreinheit der Verworfenheit, zu einem Ort seines erhobenen Thrones machte, um über den Tod zu herrschen.
Wenn auch unter Tränen, denn ihre Freude (das Herz des Lebens) stand bislang unerkannt an ihrer Seite (Joh. 20,1-16), erblickte Maria Magdalena nun die Vollerfüllung dessen, was die Hohepriester Israels immer zu sehen wünschten.
Letztere hatten diese Dinge nur vorschattend erblickt, als sie das Blut der Versöhnung über den Gnadenthron sprengten.“
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.