27.05.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{38} Die Kreuzigung Jesu (Joh. 19,17-22)
Diese Überschrift lasen viele Juden; denn der Ort, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt, und es war in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache geschrieben. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 19,20 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Einerseits ist Golgatha (wo der wesenhafte Tempel Gottes, der Fleischleib des Herrn, am Kreuz „abgerissen“ wurde) dem „Ort der Stadt“, d. h. der Weihestätte auf dem Jerusalemer Tempelberg, nahe, anderseits spiegelt sich diese räumliche Nähe in der Distanz zwischen dem Ort der Kreuzigung Jesu und der sich ebenfalls auf dem Ölberg befindenden Gruft wider, sodass der babylonische Anti-Ort Jerusalems dem finsteren Grab des Herrn entspricht, denn das Kreuz Jesu ist das Spiegelzentrum.
(Der Umstand, dass wegen der Nähe des Tempelberges viele Menschen den am Kreuz angebrachten Titel Jesu lasen, ist möglicherweise das Gegenteil dessen, dass vor Jesus kein einziger Toter in der Gruft beigesetzt wurde.)
In Golgatha, dem textlich-inhaltlichen und räumlichen Zentrum des damaligen Geschehens, stehen die ungläubigen, den Herrn verspottenden Juden den drei „Marias“ und Johannes inhaltlich gegenüber.
Für sie war das Kreuz lediglich eine kurze Zwischenstation auf ihrem Weg zum Jerusalemer Tempel, wo sie das mosaische Wort empfangen wollten. Die vielen Juden strömten zur Mitte des Ortes der großen Stadt, in dem Jesus einst den Schwachen Bethesdas geheilt hatte. Hierbei passierten sie den ihm nahe gelegenen Ort der Kreuzigung Jesu.
Hieraus ergibt sich, dass die Heilung der sich in der Welt befindenden Gläubigen durch das legitimiert und ermöglicht wird, was auf Golgatha geschah.
Wer wissen will, wer Jesus ist und warum er in die Welt kam, der muss nach Golgatha schauen. Nicht die Mitte des Jerusalemer Ortes und seine „Wasser“ (Lehre des alten Bundes), sondern der auf Golgatha inmitten der Übeltäter gekreuzigte Christus ist die Rettung.
Die Gläubigen Jesu harrten auf den wahren Tempel Gottes aus und schauten zu ihm hinauf, um die Stimme zu hören, die aus ihm herauskam.
Für uns Christen ist Jesus der „zielseiende Friede“ (= Jerusalem), auf den wir uns ausrichteten. Wir suchen unser Heil nicht im irdischen Jerusalem.
Wer sich als ein „Christ“ für die falsche Stadt und den falschen Tempel entscheidet, ist kein Christ, sondern ein die Identität Jesu nicht kennender Jude.
Anti-Ort und Ort sind einander sehr nahe und deshalb werden sie leicht verwechselt.
Der Gegensatz zwischen dem kosmischen Ort Jerusalems und dem Ort des wahren Tempels Gottes kommt auch darin zum Ausdruck, dass Jesus im jüdischen Ort sein wahres Wort freimütig, d. h. ohne Vorbehalte sprach (in der Weihestätte der Pseudofrommen prangerte er Sündhaftigkeit und Heuchelei an und verkündete die Wahrheit des Gott-Vaters), wohingegen die ihm von Babylon erwirkte Anklageschrift, d. h. das falsche und fälschende Wort der Hure, im Ort seiner Kreuzigung (wo der Leibestempel Gottes war) öffentlich, d. h. ebenfalls in Freimut gelesen wurde.
Nach dem talionischen Prinzip, verfälschte Pilatus die falsche Anklage der Fälscher und schrieb, dass Jesus der König der Juden sei, und nicht, dass der Herr sagte, er sei der König der Juden :Joh. 19,21:.
Das irdische Jerusalem schmähte das Lamm Gottes vor dessen Tod auf Hebräisch, Römisch und Hellenisch, wohingegen Maria Magdalena, die Brautdarstellerin des neuen Jerusalem, den aus dem Tod Auferstandenen auf Hebräisch „Lehrer“ nannte und ihn darin verherrlichte, denn nicht das Wort der babylonischen Hure, sondern die wahre Lehre des himmlischen Bräutigams ist maßgeblich.
Ebenso wie Jesus durch seinen Tod am Kreuz Golgathas den Vater verherrlichte, wurde es später auch seinem Leibesglied Petrus geschenkt, Gott im eigenen Tod zu ehren.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.