27.08.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{44} Jesus erscheint Maria Magdalena (Joh. 20,11-18)
Und diese sprechen zu ihr: Weib, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,13 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Maria Magdalena spiegelt sich in den unterschiedlichsten Personen wider, nämlich in Maria, der Mutter Jesu, in Thomas, in Petrus und in allen Jüngern Jesu.
Dass Jesus vom Kreuz Golgathas herab „enthoben“ wurde, gleicht seiner vermeintlichen „Enthebung“ (Entfernung) durch Menschen aus der Gruft.
Seine Beisetzung entspricht seiner von der Maria ebenfalls fälschlich angenommenen erneuten Beisetzung.
Der Umstand, dass Maria weinte, weil sie nicht wusste, an welchen Ort der scheinbar aus der Gruft entwendete tote Leib Jesu beigesetzt wurde, entspricht der Klage der Mutter Jesu, dass auf der Hochzeit zu Kana der billige Wein ausgegangen war.
In beiden Fällen wurde bedauert, dass etwas fehlte, das vergleichsweise wertlos war, denn der ideale Wein Jesu, den er danach gab, war außerordentlich besser, als jeder Wein Kanas.
Dementsprechend war es für Maria unfassbar besser, dass ihr später der Auferstandene erschien, als ihre Hoffnung, den toten Leib Jesu wiederfinden zu können.
Die Hoffnung, den verstorbenen Jesus zu finden, gleicht der relativen Nichtigkeit Kanas. Sie unterscheidet sich zum idealen Wein Jesu wie der Tod zum Leben.
Kana entspricht hierbei offenbar dem irdischen Jerusalem. Die „Braut“ Maria gleicht der Mutter Maria.
Maria Magdalena spiegelt sich nicht allein in der Mutter Jesu wider, sondern gewissermaßen auch im Apostel Thomas.
Ihre Anspannung, den neuen Beisetzungsort des vermeintlich toten Leibes Jesu sehen zu wollen, den sie nicht kannte, gleicht Thomas‘ Wunsch, den auferstandenen Leib des Herrn zu sehen und ihn prüfen zu dürfen, um glauben zu können, dass er existiert.
Da Jesus aber nicht mehr tot war, sondern in Wirklichkeit lebte, gleicht Maria Thomas. Sie schluchzte um den Verstorbenen und Thomas hielt daran fest, dass Jesus im Tod war. Beiden fehlte die Erlösung durch das wesenhafte Leben (Jesus ).
Wenn Jesus nicht auferstanden wäre, hätten wir heute einen nichtigen Maria- bzw. Thomas-Glauben an die Existenz eines verstorbenen Religionsstifters.
Wir tränken den zur Erlösung nicht nutzenden, sich erschöpfenden, minderen Wein Kanas. Trotz unserer Liebe zu Jesus stünden wir noch im Gesetz der Juden und wären nicht gerettet.
Deshalb ist es sehr wichtig, uns in Hinsicht auf das, was wir haben von Babylon nicht in die Irre führen zu lassen! Wir dürfen den Lebenden in unserem Herzen nicht erneut durch Menschen „beisetzen“ lassen.
In Joh. 20,13 wurde Maria das erste Mal auf ihren Glauben und ihre Liebe zum Herrn angesprochen.
Sie konnte begreifen, was in ihrem Herzen vorging. Maria Magdalena erhielt die Chance, in ihrem Trennungsschmerz „öffentlich“ zu bezeugen, dass sie Jesus Christus freundschaftlich liebte.
Diese Möglichkeit entspricht der ersten an Petrus gerichteten Frage des Auferstandenen, ob ihn der Apostel freundschaftlich liebt.
In beiden Fällen waren die Nachfolger Jesu noch von der Unerlöstheit des Todes und des eigenen Scheiterns gezeichnet, obwohl der sie liebende Herr bereits lebte, d. h. über die „Welt“ gesiegt hatte.
In diesem Stadium der geistlichen Entwicklung befinden sich auch heute noch viele Christen, denn sie kennen den idealen himmlischen Wein Jesu nicht und meinen, den nutzlosen „kosmischen“ Wein Kanas trinken zu müssen.
Der Umstand, dass Maria weinte, weil sie Jesus nicht sah, ist das Gegenteil der Freude aller Jünger, als sie ihn als den lebenden Herrn erblickten.
In beiden Fällen bedurfte es erst des Momentes der Erkenntnis des wesenhaften Lebens, um die Angst und Trauer zu überwinden und Jesus bewusst als den zu erkennen, der er ist.
Die Herzensbindung an den minderen Wein Kanas musste vollständig abgelegt werden.
Zu Joh. 20,13a+b, siehe Joh. 20,15a+b.
Joh. 20,13+15 (Joh.*Offb.) Offb. 5,5
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.