09.09.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{45} Jesus erscheint den Jüngern (Joh. 20,19-23)
Beginn der Mikrostruktur {45} Jesus erscheint den Jüngern (Joh. 20,19-23)
Als es nun an jenem ersten Wochentag Abend geworden war und die Türen verschlossen waren an dem Ort, wo sich die Jünger versammelt hatten, aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,19 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Der Umstand, dass sich die 1. Offenbarung des Auferstandenen in seiner 3. Erscheinung vor seinen Jüngern widerspiegelt, kann u. a. daran gesehen werden, dass er sich ihnen anfangs an einem Abend zeigte und in ihrer Mitte stand, am Schluss hingegen morgens an einem Strand stand und auf sie wartete, um sie von dort aus anzusprechen.
Die Jünger entsprechen den Engeln Gottes, denn ebenso wie zwei Engel im Kopf- und Fußbereich Platz nahmen, wo der tote Leib des Herrn gelegen war, sie also in Herrlichkeit bezeugten, dass der Tod aufhörte, umgaben nun die Gläubigen den Auferstandenen, dessen Leben in Herrlichkeit erblickt wurde.
Der Nicht-Seiende und der Seiende spiegeln einander.
Das Nicht-mehr-Sein Jesu im Tod ist die Grundlage für den Glauben an sein Dasein im Leben.
Die finstere Gruft Jesu ist der Anti-Ort seines herrlichkeitsstrahlenden himmlischen Jerusalem.
Furcht und Schluchzen sind dem Jubel und der Freude gewichen, denn der Herr nahm inmitten seiner Erwählten Stand. Jesus lebt!
Die wegen der Furcht vor den Juden verschlossenen Türen seiner Gläubigen entsprechen dem Gruftstein Jesu, der seinen toten Leib von den Jüngern trennte, nun aber demjenigen weichen musste, der zum Leben erweckt worden war, sodass die Auferstehung des Herrn den Sieg über das finstere Todeswesen der Juden und ihres „Kosmos“ darstellt.
Ironischerweise fürchtete Pilatus ebenfalls wegen der Juden. Allerdings verzagte der Römer nicht, sondern wurde wegen des Wortes, das sie über den Herrn sprachen gottesfürchtig.
Dies spiegelt sich darin gegen, dass es den Jüngern an Gottesfurcht mangelte, als sie vor den Juden wegen ihrer Treuebindung zu Jesus Angst hatten.
Sie fürchteten auch um Jesus, der sich einst nach Judäa aufmachte, um zu seinem toten Freund Lazarus zu gelangen, obwohl ihn die Juden dort steinigen wollten.
Der Tod wird nur dann überwunden, wenn man dessen Leibesglieder nicht fürchtet und einem die Lebenstür zum Himmel (Jesus) weit geöffnet ist.
Die Überwindung der Versperrung des Todes, der Durchbruch zum Leben, wird auch in Lazarus‘ Auferweckung dargestellt, die angesichts derer erfolgte, die um Jesus herum standen, was dem Standnehmen des Herrn inmitten seiner Jünger gleicht, nachdem er die verschlossenen Türen ihrer Häuser überwunden hatte.
Ebenso wie ihnen nun der auferstandene Menschensohn offenbart wurde, sahen die Juden einst den erweckten Lazarus. Der Tod wurde dem Leben gegenüber machtlos.
Die Öffnung zum Leben ist eine Öffnung zum Himmel, denn nun ist der Weg für die Engel Gottes (!) frei, um in Richtung auf den Menschensohn hinauf- und hinabzusteigen, denn die Herrlichkeit Jesu kann jetzt von solchen erblickt werden, die nicht sehen und doch glauben.
Zu Joh. 20,19a, siehe Joh. 20,20b.
Zu Joh. 20,19b, siehe Joh. 20,21.
Joh. 20,19 (Joh.*Offb.) Offb. 3,7+8
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.