23.09.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{46} Thomas kommt zum Glauben (Joh. 20,24-31)
Jesus spricht zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubst du; selig sind, die nicht sehen und doch glauben. (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 20,29 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Noch bevor sie den Wohnaufenthalt Jesu gesehen hatten, glaubten die beiden Jünger des Täufers allein wegen des Wortes ihres Lehrers.
Maria Magdalena entsprechend, hatten sie die Wohnstätte Jesu noch nicht gesehen.
Sie konnten den anderen Nachfolgern des Herrn noch nicht künden, Jesus gesehen zu haben, damit auch sie zum Glauben an ihn finden.
Ihr Glaube war ein Vertrauen aufgrund des Wortes, das laut Joh. 20,29 glückselig macht.
Wir gleichen diesen beiden Jüngern bzw. Maria insofern, da auch wir den Ort des Christus noch nicht wahrgenommen, Jesus noch nicht als das auferstandene Lamm Gottes gesehen haben, aber dennoch darauf vertrauen, dass er der lebende Sohn Gottes ist.
Unser Glaube kommt nämlich aus dem Sehen der Wahrheit des uns von Johannes schriftlich bezeugten Wortes Gottes.
Unser Vertrauen übersteigt den Glauben um Dimensionen, der aus der Wahrnehmung der Werke des Vaters im Tun Jesu entspringt.
Joh. 20,29 (Joh.*Offb.) Offb. 1,3
Joh. 20,29*
Es ´sagte aber zu ihm der JESuU´S: Da du mich gesehen hast, bist du auch zum Treun* gekommen; Glückselige* sind die mich nicht ´Gewahrthabenden und doch Treuenden*.
Joh. 20,27 [D2]*Joh. 20,31 [D2]; Joh. 20,26 [D3]*Joh. 21,1 [D3]; Joh. 20,22 [D8]*Joh. 21,6;[D8] Joh. 20,20 [D9]*Joh. 21,7 [D9]; Joh. 20,11 [D18]*Joh. 21,17 [D19]; Joh. 20,8 [D21]*Joh. 21,21 [D22+23]; Joh. 19,38 [D33]*Offb. 1,5 [D32]; Joh. 19,37 [D34]*Offb. 1,7[D34]; Joh. 19,35 [D36]*Offb. 1,9 [D36]; Joh. 19,30 [D41]*Offb. 1,14 [D41]; Joh. 19,28 [D43]*Offb. 1,15 [D42]; Joh. 19,27 [D44]*Offb. 1,17 [D44]; Joh. 19,18 [D53]*Offb. 2,7 [D54]; Joh. 19,10 [D61]*Offb. 2,16 [D63]; Joh. 19,8 [D63]*Offb. 2,17 [D64]; Joh. 19,4 [D67]*Offb. 2,20 [D67]; Joh. 18,37 [D76]*Offb. 2,29 [D76]; Joh. 18,25 [D86]*Offb. 3,8+9 [D84+85]; Joh. 18,18 [D93]*Offb. 3,15+16 [D91+92]
Joh. 20,29 ist die textliche Spiegelebene der oben angeführten Verspaare, die W. Gage in seiner Dissertation lediglich bis zu einem Abstand von 93 bzw. 91+92 Versen bis zum D-Punkt auflistet.
Warren deutet jedoch durch Auslassungspunkte an, dass die Vergleichsverse über Joh. 18,18*Offb. 3,15+16 hinaus fortgeführt werden können.
Für W. Gage ist Joh. 19,37*Offb. 1,7 das Schlüsselpaar, durch das Joh. 20,29, das Zentrum aller diesen Vers betreffenden D-Formen, besser verstanden werden kann.
Joh. 19,37*Offb. 1,7 ist sozusagen der Dreh- und Angelpunkt der spiegelgleichen Strukturen zu Joh. 20,29.
Interessanterweise erstrecken sich die Joh. 20,29 zur Mitte habenden D-Formen auf der rechten Seite des Versvergleichs über das Ende des Johannesevangeliums hinaus, denn die Spiegelstruktur wird in Joh. 19,38*Offb. 1,5 im Buch Offenbarung nahtlos fortgesetzt, ganz so als ob es sich beim Johannesevangelium und der Offenbarung um ein einziges Buch handelte, was freilich zutrifft, denn diese beiden Werke bilden eine unlösbar miteinander verwobene strukturelle und inhaltliche Einheit.
Die vorliegenden Verspaare und ihr Kontext bilden zumindest bis zu Joh. 20,8*Joh. 21,21+22 (und vmtl. darüber hinaus) eine die Endzeit des gegenwärtigen Äons betreffende zeitlich-chiastische Struktur.
Joh. 20,29 betrifft nämlich die Erkenntnis des Christus durch die jüdischen „Thomas-Christen“ in der Mitte der Nachtwache „Hahnenschrei“.
(Sie werden den himmlischen Reiter auf dem weißen Pferd sehen :Offb. 19,11ff:.)
Das jeweilige Geschehen vor bzw. nach diesem zeitlich-chiastischen Zentrum spiegelt sich.
In der folgenden Übersicht wird diese endzeitliche Ordnung der allegorischen Ereignisse zusammengefasst.
(Es sollte diesbezüglich die Erklärung zu Joh. 21,14 // Offb. 1,4 hinzugezogen werden.)
Die Auflistung dient dem besseren die Endzeit betreffenden Überblick der Joh. 20,20 zum textlichen Zentrum habenden Verspaare Joh. 20,27*Joh. 20,31, Joh. 20,26*Joh. 21,1, Joh. 20,22*Joh. 21,6, Joh. 20,20*Joh. 21,7, Joh. 20,11*Joh. 21,17 und Joh. 20,8*Joh. 21,21. (Näheres kann der jeweiligen Erläuterung zu diesen Strukturen entnommen werden.)
Beginn der „Stunde der Versuchung“
3 ½-jähriges Werk des Lammes auf der jetzigen Erde bis zu seinem Tod auf Golgatha im gegenwärtigen Babylon-Jerusalem (große Hure / große Stadt) :Offb. 11,8; Offb. 17,18; Offb. 18,10+19+21:
Wehklage derer, die zum himmlischen Jerusalem gehören über den Tod des Christus :Lk. 23,27; Mt. 27,55:
Die Erstehung des Lammes
Endzeitliche Erfüllung: Die „Auferstehung“ des Lämmleins in der Entrückung der Paulus-Linie der Gemeinde (Mitte des 4. Tages der „Stunde der Versuchung“)
Maria sieht den weggehobenen Gruftstein und berichtet es den Jüngern :Joh. 20,1+2:
a) Reihenfolge:1. Johannes; 2. Petrus
Ihr Glauben an den erstandenen Christus :Joh. 20,3-10:
Parallelgeschehen:
Reihenfolge: 1. Johannes der Täufer; 2. Jesus :Joh. 3,28+29:
b) Marias Liebe zum Herrn und ihr Kummer :Joh. 20,11:
c) Das Gespräch Jesu mit Maria in Gethsemane :Joh. 20,14-18:
Er spricht mit einer Frau, bevor er mit seinen männlichen Jüngern redet.
Parallelgeschehen:
Das Gespräch Jesu mit der Samariterin am Brunnen Jakobs :Joh. 4,7-26:
Die Jünger staunen, dass er mit einer Frau spricht :Joh. 4,27:.
Erst danach redet er mit ihnen :Joh. 4,31-38:.
Maria wusste zuerst nicht, mit wem sie sprach :Joh. 20,15:
Die Samariterin wusste zuerst nicht, mit wem sie redete :Joh. 4,10:
Die Offenbarung Jesu vor Maria („Maria!“) :Joh. 20,16: (Sehen, dass es der Herr ist)
Parallelgeschehen:
Die Offenbarung Jesu vor der Samariterin (Ich, ich bin's“) :Joh. 4,26: (Sehen, wer der Christus ist)
Mitte der „Stunde der Versuchung“
d) Das 1. Kommen Jesu zu seinen Jüngern :Joh. 20,19:
Die 1. Offenbarung Jesu vor seinen Jüngern :Joh. 20,19-23:
Das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern; Freude der Jünger :Joh. 20,20:
Parallelgeschehen:
Das Gespräch Jesu mit seinen Jüngern :Joh. 4,31-36:; Freude über die Ernte
Geben des heiligen Geistes und Sendungsauftrag zur Mission :Joh. 20,21+22:
Parallelgeschehen:
Sendungsauftrag zur Ernte :Joh. 4,36-38:
Ende der „Stunde der Versuchung“ (Punkt „Mitternacht“)
Das 2. Kommen Jesu zu seinen Jüngern an Punkt „Mitternacht“ :Joh. 20,26:
Parallelgeschehen: Das Hinauskommen der Gemeinde aus Babylon-Sichar :Joh. 4,30:;
Beistand Jesu (Kommen nach Babylon-Sichar für zwei „Tage“ zu seinen Gläubigen :Joh. 4,40:)
Beginn der Nachtwache „Hahnenschrei“
½ Stunde Schweigen im Himmel (630 Tage) :Offb. 8,1:
****** Mitte der Nachtwache „Hahnenschrei“ ******
x) ******* zeitlich-chiastisches Zentrum ******
„nach acht Tagen“ :Joh. 20,26: (8 Tage nach der 1. Offenbarung Jesu)
Die 2. Offenbarung Jesu vor seinen Jüngern :Joh. 20,24-31: (zeitliche Spiegelmitte)
Thomas glaubt nicht ohne ein sichtbares Zeichen :Joh. 20,25:.
Parallelgeschehen: „nicht glaubt ihr“ (Vorhaltung des Unglaubens ohne das Sehen von Zeichen und Wundern) :Joh. 4,48:
Thomas sieht den Herrn und glaubt :Joh. 20,28+29:.
Endzeitliche Erfüllung: Sehen des Christus auf dem weißen Pferd im Himmel :Offb. 19,11ff:
Parallelgeschehen: „Er glaubte“ (Glauben des königlichen Beamten) :Joh. 4,53:
Ende der Nachtwache „Hahnenschrei“ (Punkt „Hahnenschrei“)
Beginn der Nachtwache „Morgen“
Bei Anbruch des Morgens nimmt das Lamm am Strand Stand :Joh. 21,4:
(3. Kommen Jesu zu seinen Jüngern)
Endzeitliche Erfüllung: Die Auferstehung des Lämmleins in der Entrückung der Petrus-Linie der Gemeinde (Mitte des 4. Tages der Nachtwache „Morgen“)
Jesus brät Fische auf einem Kohlefeuer :Joh. 21,9:
Endzeitliche Erfüllung: 255. Tag der Nachtwache „Morgen“: Harmagedon/ Joschafat (Beginn des Gerichts an den Lebenden und den Toten)
Mitte der Nachtwache „Morgen“
d') „nach diesem“ :Joh. 21,1: (vmtl. 8 Tage nach der 2. Offenbarung Jesu)
Die 3. Offenbarung Jesu vor seinen Jüngern :Joh. 21,7-14:
Petrus‘ Freude :Joh. 21,7:; Er wirft sich in das Meer, um zu Jesus zu schwimmen.
Parallelgeschehen: Der Schwache („Lahme“) hat keinen Menschen, der ihn in den Teich Bethesdas werfen will, damit er geheilt wird :Joh. 5,7:.
Er wird jedoch vom Christus an einem Sabbat geheilt.
Auftrag an die Jünger, zu fischen :Joh. 21,6:
Großer Fischzug zur Rechten des Schiffs :Joh. 21,11:
Endzeitliche Erfüllung: Jesus auf dem großen weißen Gerichtsthron, „Herausfischen“ der toten Seelen zum Gericht; Sortierung: rechts bzw. links :Mt. 25,33:
Parallelgeschehen:
Gerechtes Richten der erstandenen Toten :Joh. 5,25-30:; Sortierung: Auferstehung des Lebens bzw. Auferstehung des Gerichts
Sehen, dass es der Herr ist :Joh. 21,12:
c') Das Gespräch Jesu mit Petrus :Joh. 21,15-19:
b') Petrus ist wegen seiner Liebe zu Jesus betrübt :Joh. 21,17:
a') Reihenfolge: 1. Petrus; 2. Johannes
Ihre Stellung in der Nachfolge zum erstandenen Christus :Joh. 21,20-23:
Reihenfolge: 1. Johannes der Täufer; 2. Jesus
Verweis auf den vor Jesus entsandten, ihn bezeugenden Johannes den Täufer :Joh. 5,33:
Das wahre Zeugnis Jesu durch den Apostel Johannes in dem geschriebenen Buchröllchen :Joh. 21,24+25:
Parallelgeschehen:
Der Herr selbst, seine Werke, sein Wort, die Schriften, Johannes der Täufer und der Gott-Vater bezeugen Jesus :Joh. 5,36-39:
Die Wehklage des jetzigen irdischen Babylon-Jerusalem und seines Landes laut Sach. 12,10; Offb. 1,7; Offb. 6,16+17 (siehe auch Offb. 16,19+21) als ein Spiegelbild des zu Beginn der „Stunde der Versuchung“ erfolgenden Wehklagens Maria Magdalenas (neues Jerusalem) :Joh. 20,11ff:
Ende der Nachtwache „Morgen“ (Ende des Äons)
1000-jähriges Werk des Lämmleins im himmlischen Jerusalem (Brautstadt) der zukünftigen Erde bis zum Gericht an Satan
In Joh. 20,29 und in den meisten sich auf diesen zentralen Vers beziehenden D-Formen geht es um das Sehen der Autorität des Christus in seiner Eigenschaft als Sohn Gottes und Gott :Joh. 20,28+31: und um den daraus resultierenden Glauben an ihn.
Tatsächlich wird hier zwischen zwei Arten des Glaubens unterschieden. Es gibt nämlich den Glauben, der aus dem Sehen, d. h. der Wahrnehmung des Herrn folgt und den zur Glückseligkeit führenden Glauben, der vorhanden ist, ohne dass der auferstandene Christus zuvor gesehen wird. Letzterer ist ein Glaube einer höheren geistlichen Stufe.
Dem sogenannten „ungläubigen Thomas“ wurde es nicht geschenkt, diesen Glauben aus Hebr. 11,1 zu haben.
Bis zu einem gewissen Zeitpunkt hat auch in der äonischen Endzeit jeder Mensch die Wahl, sich zwischen den beiden Arten des Glaubens zu entscheiden oder, als dritte Möglichkeit, sich von vornherein gegen Jesus zu stellen, also ungläubig zu bleiben :Lk. 11,23:.
Die Möglichkeit den Glauben höherer Stufe zu wählen, endet jedoch in der Mitte der Nachtwache „Hahnenschrei“, wenn Christus durch den geöffneten Himmel hindurch von den Menschen in seiner Autorität und Herrlichkeit gesehen werden wird :Offb. 19,11ff:.
Danach geht es nur noch darum, ob man ihn, wie es Thomas in der diesen Zeitpunkt darstellenden Situation tat, persönlich als Herrn und Gott anerkennt, also den Glauben der niedrigeren Stufe zum Ausdruck bringt, oder sich gegen den König der Könige und Herrn der Herren stellt, also ein ungläubiger Feind des auferstandenen Lämmleins wird :Joh. 20,28; Offb. 19,16; Offb. 19,19:.
Genaugenommen war Thomas nicht ungläubig, denn er machte seine Entscheidung, zum Glauben zu kommen oder ein Ungläubiger zu werden davon abhängig, ob er die Wundmale Jesu sensorisch prüfen durfte oder nicht :Joh. 20,25:, d. h. Thomas schloss es nicht grundsätzlich aus, an die Auferstehung zu glauben, nur band er diesen Glauben an die Bedingung, den Auferstandenen zu sehen und die Echtheit des Auferstehungsgeschehens überprüfen zu dürfen.
In Joh. 20,27 forderte Jesus Thomas dazu auf, kein Ungläubiger zu werden, sondern ein Gläubiger, was impliziert, dass der Jünger kein Ungläubiger war, sondern lediglich in der Gefahr stand, einer zu werden.
Allerdings war der Apostel Thomas bis Joh. 20,27+28 nicht gläubig.
Er war es nicht einmal auf der Basis von Zeichen und Wunder.
Er sollte, wenn überhaupt, nicht als der „ungläubige Thomas“ bezeichnet werden, sondern als der „unentschlossene Thomas“.
Die beiden Arten des Glaubens, der Unglaube und das Sehen / Wahrnehmen dessen, was geglaubt werden soll, spielen in den Joh. 20,29 betreffenden spiegelgleichen Verspaaren eine wichtige Rolle.
Das zu Glaubende wird gesehen, wenn es in die Mitte derer kommt, denen der Glaube geschenkt werden soll.
Sein mehrfach mittiges Erscheinen ist in den vorliegenden D-Formen von Bedeutung, denn es markiert den zeitlichen Übergang zu einer jeweils neuen Art des möglichen Glaubens.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.