04.11.2024 | In „Das Johannesevangelium – Eine textlich-strukturelle Auslegung“ | von Freddy Baum
{49} Jesus und Johannes (Joh. 21,20-25)
Als Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was soll aber dieser? (SLT 1951)
Die Erklärung beruht auf Versen des Johannesevangeliums, die mit Joh. 21,21 textlich-strukturell und inhaltlich zusammenhängen.
Joh. 20,8 [D21] <Joh. 20,29*> Joh. 21,21+22 [D22+23]
Joh. 20,8 Daher ´kam dann auch der andere Jünger hinein, der als Vorderer hin die Gruft ´gekommene, und er ´gewahrte und treute*; (21)
Johannes geht nach Petrus in die Gruft.
Joh. 21,21 Diesen daher ´gewahrthabend, ´sagte der PÄ´TROS zu dem JESuU´S: Dieser aber, was wird mit ihm?
Joh. 21,22 Da sagt zu ihm der JESuU´S: So ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was bedeutet's dir zu? Folge du mir nach. (22+23)
Petrus muss Johannes im Tod vorausgehen.
Im vorliegenden Verspaar geht es um die Reihenfolge von Johannes und Petrus in ihrem Kommen zur Gruft Jesu bzw. zu ihrem eigenen Grab, also auch um die Frage des relativen Zeitpunkts ihres Sterbens.
Außerdem betrifft Joh. 20,8*Joh. 21,21+22 die Wahrnehmung (Erkenntnis) und den Glauben dieser beiden Jünger Jesu, ein Thema, das nur in Hinblick auf Joh. 20,29 richtig verstanden werden kann.
In Joh. 20,3-10 lautet die Reihenfolge:
1. Johannes, 2. Petrus
a) Johannes, der Evangelist kommt vor Petrus zum Grab Jesu. Er bückt sich in die Gruft hinein :Joh. 20,4+5:.
b) Simon Petrus kommt auch in die Gruft :Joh. 20,6:. (Dies steht nicht im Codex Sinaiticus geschrieben, sondern nur im Alexandrinus und Vaticanus.)
c) Johannes verlässt das Grab. (Dies steht nicht geschrieben; es ergibt sich aber aus dem Kontext.)
d) Johannes, der ursprünglich zuerst zur Gruft gekommen war, geht erneut in sie hinein Joh. 20,8:.
Er erkennt und glaubt, ohne Jesus gesehen zu haben. Dieses Vertrauen des Apostels ist ein Glauben höherer Stufe laut Joh. 20,29:.
e) Die Jünger gehen weg :Joh. 20,10:.
f) Maria bückt sich schluchzend in die Gruft hinein :Joh. 20,11:.
g) Sie wendet sich nach hinten und erblickt Jesus. Maria glaubt :Joh. 20,14+16f:.
Im Parallelgeschehen zu Joh. 20,3-10, in Joh. 3,28+29, geht es um die Reihenfolge:
1. Johannes, 2. Jesus
Allerdings ist hier nicht der Apostel Johannes gemeint, sondern der Täufer Johannes, der vor Christus entsandt wurde, um ihn zu bezeugen. Er ist der Freund des Bräutigams (Jesus), der dessen Weg vorbereitet.
(Tatsächlich starb dieser Zeuge des Herrn auch vor ihm :Joh. 5,35:, was ein früheres Hineingehen „in die Gruft“ darstellt :Joh. 9,4+5:.
Anders als in Joh. 20,3-10 steht in Joh. 21,20-23 Petrus am Anfang und Johannes folgt ihm nach.
(Im diesbezüglichen Parallelgeschehen :Joh. 5,33: wird auf den vor Jesus entsandten, ihn bezeugenden Johannes den Täufer hingewiesen.)
Jesus und Petrus gehen auf dem Weg voran. Der Apostel Johannes folgt ihnen nach :Joh. 21,20:.
Joh. 21,21-23 und die spiegelgleiche Ergänzung, Joh. 20,8, zeigen, dass es hier nicht allein um eine Reihenfolge des Gehens auf einer Wegstrecke geht, sondern um die Glaubensnachfolge dieser Jünger Jesu bis in die „Gruft“, d. h. bis in ihren Tod.
Der Apostel Petrus stirbt vor Johannes, d. h. er geht vor ihm in die Gruft. Johannes „bleibt“ also vorerst und geht diesen Weg erst nach Petrus, d. h. er stirbt nach ihm, oder Johannes bleibt leben, bis Jesus kommt und von allen gesehen werden wird :Joh. 21,22+23:.
Petrus soll in der Nachfolge Jesu stehen, ohne alles zu verstehen :Joh. 21,22:. Dadurch wird ihm ein höherer Glaube laut Joh. 20,29 ermöglicht.
Dass Johannes diesen Glauben bereits besaß, zeigt Joh. 20,8.
Er vertraute, ohne das Wesenhafte gesehen zu haben.
Im Kapitel "Das Herz des Johannesevangeliums" wird auf den Vorwurf des Antisemitismus und Antijudaismus eingegangen.